Faksimile 0290 | Seite 282
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denn
Dénn, conj.:
1) an der Spitze eines dadurch in seiner Wortführung nicht veränderten grund- angebenden, das Vorangehnde erklärenden Satzes. Das svw. „weil“, das immer einen Nebensatz anknüpft, bezeichnet diesen nicht als bloßen Erkenntnisgrund, sondern als Ursache, als Grund, warum das Vorangegangne ist: Ich gehe nicht aus, d. es regnet fortwährend. [In diesem Regen findet mein Nicht-Ausgehn seine Begründung, seine Erklärung]; Ich gehe nicht aus, weil es fortwährend regnet [Dieser Regen ist die Ursache meines Nicht-Ausgehens]. Auf die Frage „warum“ kann daher nur „weil“ antworten: „Warum gehst du nicht aus?“ Weil es fortwährend regnet. Dagegen kann „weil“ nicht stehn, wo nur oft mit zu ergänzenden Zwischengliedern eine erläuternde Begründung angeknüpft wird (vgl. nämlich): Ich bin [das darf ich wohl sagen] denn warum sollte ich das leugnen? sehr fleißig gewesen; Du musst es ihm gesagt haben [das steht fest]; d. außer dir hat’s Niemand gewusst, oder: D. wer hat’s außer dir gewusst?; Sie treibt der Eifer nicht fürs Vaterland; | d. Tausende, wie mich, gebar die Fremde. Sch. 333b; Und komm, ich hab des Schwätzens Überdruß, | d. du hast Recht, vorzüglich [darum], weil ich muß. G. 11, 132 [dein Rechthaben erklärt, daß ich nicht mehr streiten mag]; Er hungert oft; d., weil er faul ist, verdient er Nichts etc. Mundartl. auch pleonastisch: d. weil = weil. Brentano Fr. 1, 15 etc.; versch.: Weil denn (s. 3). Als sächl. Hw.: das D. = der Grund, die Begründung: Der Kunstrichter empfindet nicht bloß, daß ihm Etwas nicht gefällt, sondern er fügt auch noch sein D. hinzu etc. L. 11, 752; Sehen Sie selbst, wie bündig sein D. ist. 6, 126; 7, 367 etc.
Anm. 1. Veralt. ist d. mit der Stellung des Nebensatzes, wie bei „weil“: D. er ja wollt gern seine Christen aufwecken. Luther 6, 56b; D. sie selber bekennen müssen. 118b [aber 119a: D. ich hab’s ja von Herzen lieb]; D. ihme Etliche gehässig sind. Ryff Th. 98; 19; 97; D. ich täglich habe saufen .. müssen. Schweinichen 3, 56 u. ä. m.
2) D. nach einem Kompar. etc. st. des gewöhnl. „als“ in altherthümlicher und gehobner Rede, wie namentl. sehr oft in der Bibel: Meine Sünde ist größer, d. daß sie mir vergeben werden möge. 1. Mos. 4, 13 etc.: Heftiger noch d. zuvor. V. Od. 1, 324; 7, 136; Mosch. 3, 62; Fichte 7, 6; G. 20, 229; Gutzkow R. 8, 408; Hölderlin H. 1, 148; 2, 105; 109 etc. Gewöhnl. zur Vermeidung eines doppelten „als“: Du hast dich in diesem Falle mehr als Schriftsteller d. als Advokat erwiesen. G. 22, 145; So besuche ich ihn jetzt mehr als Freund, d. als Arzt. Immermann M. 4, 193; Das betrachten wir eher als eine Tugend, d. als einen Fehler. Keller gH. 4, 166. S. auch: Um so erstaunter, als er Nichts weniger d. diese Vorwürfe zu verdienen glaubte. G. 16, 147 etc.
3) Enklitisches d., nam. häufig in Fragesätzen, ferner an die bezüglichen Fürw. sich lehnend (welcher, der, was, woran, wovon etc., weßhalb, wo u. s. w.), so denn auch an die ähnlichen Bindew. (wie, wenn, weil, da etc.), an so, also, nun, auf! wohlauf! ja, nein etc. Dies d. bezeichnet eine gedankliche Verknüpfung mit dem Vorhergehnden, eine Anknüpfung an das Vorliegende = also; nämlich; wie aus dem Vorliegenden erhellt; wie oder da die Sache einmal so ist etc. Es ist etwa das Widerspiel von „aber“, indem es das Vorliegende erläutert, darauf fortbaut, während aber (s. d. 2) einen Gegensatz gegen das Vorliegende bezeichnet, einen Widerspruch dagegen erhebt, vgl.: Wer kann es ihm d. gesagt haben? [Die Thatsache: „Er weiß es“ wird nicht bestritten, sondern man wünscht eine Erklärung dafür]; Wer kann es ihm aber gesagt haben? [Es wird bezweifelt, daß es ihm Jemand gesagt]. Natürlich kann auch zu dem Widerspruch und Zweifel als etwas Thatsächlichem, Vorliegendem das denn gefügt werden: Wer kann es ihm denn aber gesagt haben? [Man wünscht die Erklärung des unerklärlich Scheinenden]; Er ist d. [nach dem Vorliegenden, wie ich einsehe] doch [was ich erst nicht glauben wollte] ein Narr etc.; Deine Blicke sind Beweis genug. Ja denn. [Ich sage ja zu eurer Verbindung, da, wie ihre Blicke zeigen, meine Schwester dich liebt]. G. 9, 38; Er sagt es und da (so) muß ich es d. wohl glauben [da er’s sagt]; Hast du ihn d. gesehn? [wie ich nach deiner Außrung annehmen muß]; Jch gab ihm, wie ich d. immer zu schwach bin, einen Thaler, welchen er d. sofort einsteckte, mit der Frage, wann er d. das Übrige haben sollte. Nun d., rief ich, so geschwinde geht’s d. doch nicht; Wohlauf d.! getrunken den funkelnden Wein! etc. Zuweilen zweimal in einem Fragesatze: Wer ist d. der Der und Jener d.? G. 2, 231.
Anm. 2. Im Allgem. ist dies d. tonlos, erhält aber den Ton, wenn die vorliegenden Umstände andern entgegengesetzt oder überhaupt hervorgehoben werden (wobei die Berührung mit dem ursprünglichen „dann“ (s. d.) klar hervortritt), z.B.: „Warum hast du’s denn [tonlos] verkauft? Nicht wahr? um für das Geld zu naschen?“ Nein, darum nicht. „Nun, warum denn? [betont = aus welchem andern als dem angegebnen Grunde?]; „Ziemte mir’s | und frommte mir’s?“ Wem frommt es dénn, | daß er so neubegierig ist? wem dénn? L. 2, 300; „Er hat mir’s selbst gesagt“. Nun dénn [wenn Das der Fall ist, unter solchen Umständen] will ich’s auch nicht leugnen. Man beachte die Doppelbetonung des d. neben einsilbigen Fragewörtern: wer, wen, was, wie, wo, wann d. etc.; das betonte Fragewort hebt dies als zu beantwortendes hervor, das betonte d. dagegen die Dringlichkeit der Frage: Noch zauderst du? „Ich weiß“. Was dénn? (⏑ –) „Ein Vogelnest“. L. 1, 106; 2, 300; Er macht damit .. den dümmsten Witzling .. lächerlich. | „Und wen d.? (–⏑)“. Welche Frage? Sich! 1, 32.
4) Enklitisches „d.“ sich an den Konjunktiv eines Zeitw. lehnend, im Sinn von = ausgenommen wenn; außer wenn; wenn nicht etc., eigentl. elliptisch: Wir binden dich nicht los, du singest uns d. ein Lied. Geßner 3, 42 [Gesetzt, du singst: dann (in diesem Fall) binden wir dich los; sonst nicht]; Niemand soll ins Kloster gehn, | als: er sei d. wohl versehn | mit gehörigem Sündenvorrath. G. 3, 127; Zum zweitenmal soll mir kein Klang erschallen, | er müsse d. besondern Sinn begründen. 4, 23; Er entfernte sich niemals | weit, er sagt’ es ihr d. 5, 31; [Da] erhält man Nichts, man bringe d. ’was hin. 13, 116; Sch. 30b u. o., vgl. Kein 4.
Anm. S. I. Dann, Anm. Von dem langen Schwanken zwischen beiden Formen finden sich noch, zumal in der Volkssprache, jetzt Spuren, z.B. denn = dann, ferner: Was Dame sei und d., was Dama. Logau 1, 21, 67; 24, 83 etc.; Und d., so werden meine Stühle | nur grad’ ein halbes Dutzend sein. Göckingk 1, 202; Und d. das Elend. G. 29, 243; Und d. mache, was dir gefällt. Leisewitz Jul. 14 u. ä. m. So auch: Als denn etc.; Umgekehrt ,,dann“, grundangebend st. denn, z. B. Zinkgräf 1, 318 etc., und namentl. in der Bedeutung 3.