Faksimile 0260 | Seite 252
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Charakter
Charákt~er (gr., Kar-), m., –s; -ēre, uv.:
1) urſpr. ein eingegrabnes, eingeprägtes Zeichen; ein
beſtimmtes Zeichen für einen Gegenſtand od. Begriff:
Aſtronomiſche, algebraiſche, mathematiſche, chemiſche, magiſche
Ch–e ꝛc. 2) Das Kennzeichen, Merkmal, das Unter-
ſcheidende und Auszeichnende eines Weſens, das es in
ſeiner Eigenheit u. Eigenthümlichkeit Kennzeichnende;
ſeine Weſenheit, Eigenthümlichkeit; ferner auch eine
Perſon v. beſtimmt hervortretender, ſcharf ausgeprägter
Eigenthümlichkeit: Jedes Weſen, das ſich als eine Einheit
fühlt, will ſich in ſeinem eigenen Zuſtand ungetrennt und un-
verrückt erhalten; Dies iſt eine ewige nothwendige Gabe der
Natur und ſo kann man ſagen, jedes Einzelne habe Ch. bis
zum Wurm hinunter, der ſich krümmt, wenn er getreten wird
... Doch bedient man ſich des Wortes Ch. gewöhnlich in
einem höhern Sinne: wenn nämlich eine Perſönlichkeit von
bedeutenden Eigenſchaften auf ihrer Weiſe verharret und ſich
durch Nichts davon abwendig machen läſſt ... So gäbe es
ſtarke, feſte, dichte, elaſtiſche, biegſame, geſchmeidige, dehn-
bare, ſtarre, flüſſige und wer weiß was ſonſt noch für Ch–e
u. ſ. f. G. 39, 292—295; 13, 104; Im Drama [ſollen]
Ch–e und Thaten [vorgeſtellt werden]. 7, 33; 16, 130;
137; 143; 30, 348; Heine B. 339; Du triffſt einen neuen
Ch. [Zug]. Leiſewitz Jul. 12; Rahel 1, 284; Recht hat jeder
eigene Ch., | der übereinſtimmt mit ſich ſelbſt. Sch. 366b;
Den Tagen ch–loſer Minderjährigkeit. 99b; Tieck Nov. 5,
197 ꝛc. So auch oft in Zſſtzg., z. B.: Dichter-Ch.
Gervinus Sh. 1, 181; Da jedesmal der Kunſt-Ch. mit
dem Zeit-Ch. zuſammenfällt. G. 30, 27; Groß-Ch.
Laube Franz. Luftſchl. 3, 61; Die Gemüths-Ch–e der
Völkerſchaften Kant Sch. und Erh. 85; In dem National-
Ch–e. 82; So muß er ein ganz ander Verhältnis zu den
Mit-Ch–en haben als der Held in andern Romanen hat.
Sch. G. 2, 273; Verſchiedenheit des deutſchen Ur-Ch–s.
Willkomm Sag. 1, 3 ꝛc. 3) zuw. wie oft im
Engl. Zeugnis; das Urtheil, die Schildrung von
Jemandes Weſen; Ruf: B. hat nirgends einen guten Ch.
Forſter Br. 1, 438; Machen Sie mir doch einen kleinen Ch.
von ihr. Gellert 3, 138. 4) Stand, Rang, Titel ꝛc.:
Den neuen Ch., den ich in der Welt bekleiden ſollte. Chamiſſo
4, 310; Seinen Namen, Heimath, Ch., hieſige Geſchäfte.
L. 1, 529; Der heilige Ch. [des Geſandten] | beſchützt
Euch. Sch. 432a. Auch: Ein öffentlicher Ch. = Perſon
von öffentlicher Stellung. Immermann M. 1, 379.
Anm. Früher zuw. auch mit betonter Endſilbe, nach
Adelung nam. in Bed. 4, ſ. auch 2 den Dativ: National-
charaktere. Kant. Umgek. findet ſich auch die Mz. uv.: Je-
nachdem die Ch. ſind. G. 20, 78; Das Eigenthümliche der
Ch. 85; Gedachte der alten Beſitzer, erzählte von ihren Ch–n.
191; Die verſchiedenen Ch. der verſchiedenen Bücher. 22,
76 ꝛc.; neben: Wenn man Charakteren ausmalt. Geßner
1, VI.