Faksimile 0209 | Seite 201
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brausen
Brāūsen, Brause-, intr. und tr.:
rauschen, sausen, mit lautem, verworrnem Getöse heftig und ungestüm sich bewegen. 1) intr. mit „haben“, insofern das durch das Tonw. bez. Geräusch der Hauptbegriff, dagegen mit „sein“, insofern es die von diesem Geräusch begleitete Bewegung ist:
a) Der Champagner hat stark gebraust, als er eingeschenkt wurde; Der Pfropfen ist abgesprungen, und der Champagner ist aus der Flasche (heraus) gebraust; Das Pferd hat gebraust (geprustet, gebrauscht, gebrenscht); Das Pferd ist über den Graben gebraust (in heftigem Lauf dahingeeilt, z. B. in der Bed. der Bewegung: Nun saust es und braust es, das wüthige Heer | ins weite Gethal. G. 1, 180; Über die Gräben brauste das Roß. Hölderlin H. 1, 88; Er braust auf rüstigem Roß feldein. Schwab 360; Er brauste auf der Bahn .. nach Mannheim hinunter. Kinkel Erz. 434; Die Welt im Fluge braust. Lenau A. 66 etc. und vielfach in Zsstzg. (s. d.).
b) als Tonnachahmung sehr oft vom Wind und Wasser, auch im Jnfin. als Hauptw. in Zsstzg.: Mit Donnerstimmen und mit Windes-B. G. 13, 55; Betäubten .. wie ein Meer- B. die Ohren. Heinse A. 1, 94 etc.; von gärenden (moussierenden) Getränken etc., auch übertr.: Mit dem ganzen Sturm seiner gärenden und b–den Kräfte. Guhrauer L. 1, 256. Jm eigentl. Sinn: Es braust der Eichwald. Sch. 349a; die Kirchhofthür. 2a; seltsamer Sprachen Gewirr. 76a; die Losung von Heer zu Heer. 7a; Der Stimme hohles B. 47a; Mein seltsam b–der Sang. Chamisso 2, 37; Blitzet und donnert, brauset und rumort. Luther 5, 535b; Ein lustiger Schwärmer [beim Feuerwerk] brauset. Thümmel 7, 156; Es braust aussiedend der Kessel. V. 1, 22; Der Feuerbrand, wenn er ins Wasser fällt, so zischt | er ungestüm und braust. Rückert Rost. 65a. Auch von Thieren: Die Mähne streicht er ihm [dem Roß], da fängt es an zu b. (s. brauschen). 77a; L. 1, 207; Das Sausen und B. [der Bienen]. Zinkgräf 2, 33; Lenz Nat. 3, 342.
c) dann auch, wie kochen, wallen etc. von heftiger Erregung, Gemüthsbewegung: Zu heftig braust das Blut in deinen Adern. Sch. 255b; Meines Herzens schwellendes Gefühl, | das braust, den kleinsten Flecken nicht zu leiden. G. 13, 146; Ich will nicht .. angefeuert sein; braust dies Herz doch genug aus sich selbst. 14, 9; B–de und übertreibende Schriftsteller. Claudius 6, VII und so nam. oft im Part.: Ein b–der Kopf; aber auch = lärmend, schwärmend, in Saus und Braus: B–de Vergnügungen etc.
d) auch unpersönl.: Doch jetzt braust’s [der Wind] aus dem nahen Gebüsch. Sch. 75a etc.; vgl.: Daß .. mir die Ohren brausten. Heinse A. 1, 223; Die kleine Muschel ihres Ohres brauste von der Huldigung. König Kl. 1, 320. Wenn’s mir doch ein wenig.in (vor FLewald Wandl. 1, 188) den Ohren brauste. Hebel 3, 122; Das Ohren-B.; Seine Eingeweide b. Stilling 3, 47 etc. 2) tr.:
a) brausend hervorstoßen etc.: (Das Pferd) braust aus der Nase Dampf. Zachar. 1, 66; 292; Ihr Meere, braust sein Lob! EvKleist 1, 8; Die Donau braust’s auf ihrem Zuge. Schenkendorf (Wackernagel 2, 1501), verkündet’s brausend. Vgl. Zsstzg. des Part., wie: Donner-b–de Katarakten. Heinse A. 1, 320 etc.
b) mit einer Brause (Gießkanne) begießen: Die zu bleichende Leinewand wird fleißig gebraust (oder bebraust) etc.
Anm. Vgl. brauschen, brauen, prusten etc. Ganz ähnlich das frz. bruit, Geräusch, bruire. rauschen etc.
Zsstzg. ohne Erklärung verständlich, z. B.: Áb-: Der Dampfwagen ist abgebraust; Nach abgebrausten ersten Fragen. LHNicolai 1, 312; tr.: Eine Sonat’ a–d [rauschend abspielend] .., als braus’ in den splitternden Wald ein Orkan her. V. 1, 153.
An-: Kam | laut a–d der West. V. Od. 12, 408.
Āūf-: brausend auffahren, eig. und übertr.: Das Meer braust auf. G. 20, 29; Entweder tückisch oder gewaltsam a–d. 78; Da brausen in ihr Seufzer auf. Pfeffel Po. 3, 170; Unter Säuren braust der Felsenstein närrisch und prustend auf. Tieck Nov. 5, 164; Da ... der Fürst aufbrauste und prustete. NovKr. 4, 174; Ich glaube an keine so plötzlich von bloßem Ansehn aufgebrauste Liebe. W. 19, 214; 180 etc.
Aūs-: Bis die Gärung ausgebraust hatte. W. 9, 115; Als nun ausgebraust war mein Redeschwall. Rückert Mak. 2, 218 etc. tr.: Leute, die den Studenten noch nicht ausgebraust [vergessen etc.] hatten.. Auerbach Dicht. 2, 57; Den Doktor Faust, | so bald dein Kopf ihn ausgebraust. Gotter (G. 6, 70) = zu Ende, fertig geschafft. Be- [2b]. Dahêr- etc.: Wenn jener Türke nun mit seiner Heermacht Wellen | daherbraust, welchen Damm willst du entgegenstellen? Rückert Rost. 55; Der Strom seiner Lüste kann jetzt freier dahinbrausen. Sch. 105a; Des Sturmes Toben, der ergrimmt dazwischen- braust. 48a.
Durch-: Der Wassersturz, das Felsenriff d–d. G. 12, 7; Matthisson 244; Hypanis’ felsen-d–der Strom. V. Georg.4,370 etc.— Empōr-: Eine Feuergarbe .. brauste empor zum Himmel. Stahr Rep. 1, 297; Tieck GesNov. 1, 31.
Ent-: Strom, der dem Hochgebirge entbrauste. Platen 4, 280.
Entgêgen-: Wenn .. des Sees gewohntem Bad | ein Ur ... entgegenbrauste. Matthisson 79. tr.: Wie des Vaters Fluch dir Tod entgegenbraust. Werner Febr. 47. Er-: Als der wüth’ge See .. erbrauste. Sch. 542a; Chamisso 5, 101 etc.
Fórt-: Wie ein Strom .., von keinem Damm gehemmet, | fortbrauset. Alxinger D. 263; Wie braust es fort im schönen wilden Takt! Sch. 7a. Hêr-, intr. (sein) und tr.: V. 1, 153, s. Ab-b.; Die Jugend brauste jauchzend und stampfend über den dröhnenden Boden hin. Keller gH. 2, 141; Winde brausen hin und her. Hebel 2, 138; Ich habe wild mein Leben hingebraust. Tieck 2, 146, s. ver-b.; Herab-b–de Wasser. Kohl A. 3, 100; 2, 250; Der Hagel braust herab. Rückert Rost. 87b; Vier Ströme b. hinab in das Feld. Sch. 50a; Die donnernd heran-b–de Lokomotive. Gutzkow R. 5, 373; Tieck Acc. 1, 266; Nov. 4, 95; Warum der Strom des Genies so selten ausbricht, so selten in hohen Fluthen hereinbraust. G. 14, 16; Es brausen .. deines Namens Feierhall | der Alpen Stürme mir herüber. Matthisson 234.
Lōs-: Die l–de Orgel. Tieck Nov. 4, 32.
Nāch-: Muscheln, die, ans Ohr gehalten, wie mit leisem Heimweh, dem Meere n. Höfer Hausbl. (56) 218. Über-, tr.:
1) Etwas ü., so stark brausen, daß dies nicht gehört wird: Es überbraust der Sturm die zarte Stimme. G. 13, 22; 2, 22; Heine Reis. 3, 43 u. o.
2) [2b]: Daß man seine jungen Maulbeersaaten recht fleißig mit reinem Wasser überbrause. Meck- lenb. Landw. Zeitung (55) S. 248b. Um-: Umsäuselten und umbrausten seine Ohren mit Schmeicheleien. Arndt Erinn. 247; Umbraust von grimmigem Wetter. Herwegh 1, 34 u. 0. In dieser wogen- und sturmumbrausten Kante. Willkomm Wald 109. Ver-: Der Most verbrauset. V. 3, 186; Wenn die Wogen verbraust hatten. G. 14, 272; Sobald der erste Sturm der Unterjochung verbrauset war. Fallmerayer Or. 1, 74; Waldau Nat. 2, 44; 239 etc. tr.; Der .. ein schönes Talent liederlich versaust und verbraust hatte. Arndt Erinn. 32; Klinger F. 361; Thümmel 7, 136 etc., s. hin-b. Vōr-: Einem eine Musik v. Vorbēī-, Vorǖber-: Als ob das wilde Heer vorübergebraust wäre. Auerbach Leb. 1, 246; Platen 6, VIII; Rückert Nal. 148 u. ä. m.