Faksimile 0198 | Seite 190
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borgen
Bórgen, tr.:
zum Schuldner für etwas Überliefertes machen, oder werden.
1) im sinnvrwdt. leihen (vgl. Lehn) ist Hauptbegriff das zeitweise Abtreten, Überlassen eines Gegenstands zur Benutzung ohne Aufgeben des Eigenthumsrechts: Eine Sache wird mir geliehen, ich werde der Besitzer, nicht Eigenthümer, muß vielmehr nach einer Zeit die Sache selbst zurückgeben. Eine Sache wird mir geborgt (stammvrwdt.: bürgen, s. Anm.), ich übernehme die Bürgschaft, Verpflichtung, nach einer Zeit entweder die Sache selbst zurückzuerstatten oder häufiger, den Werth, Preis dafür zu zahlen, ich trete in das Verhältniß des Schuldners zum Gläubiger. Ich habe einige Bücher baar bezahlt, andre vom Buchhändler geborgt [wofür ich ihm das Geld noch schuldig bin], andre von der Bibliothek geliehn [die ich nach einiger Zeit wieder abzuliefern habe]. Er hat mir sein Haus, sein Pferd geliehn [auf einige Zeit zur Benutzung überlassen], geborgt [auf Kredit verkauft] etc. Zuw. kann ziemlich gleichbedeutend Beides stehn: Er hat mir 100 Thaler geliehn oder geborgt, doch würde nur das Zweite gelten können, wenn er mir nicht wirklich baare 100 Thaler zu einer Benutzung auf eine bestimmte Zeit, sondern nur Waare im Werthe von 100 Thlr. überlassen hätte. Man begreift, daß b. gew. nur von „beweglichen Dingen“ steht (Adelung, doch s. o.: Ein Haus b., wie Waaren b., das Geld dafür kreditieren), daß ferner ohne näher bestimmenden Zusatz b. gew. auf den Schuldner, wie leihen auf den (freiwillig) Überlassenden geht und deßhalb oft als edlerer Ausdruck gilt (s. 2): Wer borget ist des Leheners Knecht. Spr. 22, 7; Der Gottlose borget und bezahlet nicht. Ps. 37, 21; Sir. 29, 4; Besser betteln als b. G. 3, 40; B. und Jucken thut eine Weile wohl; Wer will b., Der komme morgen; Die sich in ihren geborgten Häusern ebenso wohl befinden, als andere Schnecken in der selbstgebauten Wohnung. Vogt Oc. 1, 56; Nur borg’ er nicht den Schein des Rechtes. Platen 6, 33 [nehme nicht das ihm Fremde, als wär es ihm eigen, an]; Der Tod ist ein Kamäleon, | er borget immer die Gestalten | der Seelen, denen er sich zeigt. Ramler F. 1, 104 etc. (vgl.: Sie leihen auf Pfänder. Sch. 96b etc., nam. an-b. und anleihen, auch Borger); doch kommt natürlich auch b. allein = „auf Borg geben“ vor, z. B. wenn der Verkäufer auf den Wunsch des Käufers: „Jch möchte [von Ihnen] b.“ antwortet: Aber ich borge [Ihnen] nicht (s. 2). Aller Ehren werth, wenn man 6000 Jahre lang geborgt [kreditiert] habe. Hebel 3, 10; Die Schuld b–der Jahre fordert irgend ein letzter Martertag unbarmherzig ein. IP. 33, 17 etc. So kann das Sprchw.: B. macht Sorgen sich sowohl auf Gläubiger als Schuldner beziehn; Geborgt ist nicht geschenkt. L. 2, 408; Zelter 3, 119 [was dir auf Borg gegeben ist = was du auf Borg erhalten hast]. So auch: Meister, bei deren späteren Werken die Reize der frühern wieder geborgterweise zum Vorschein kommen. Heine Reis. 4, 269 etc. Gewöhnlich aber wird die Beziehung durch die Konstruktion näher bestimmt (s. 2 und 3).
2) Etwas auf Borg geben: Einem b. 5. Mos. 15, 2; 25, 10 ff.; Was man den Armen schenkt, Das hat man Gott geborgt. Alxinger D. 229; Hätte mir | ein holders Schicksal diese Wunde bis | zur letzten tödtlichen geborgt [erlassen, aufgespart]. L. 2, 511; Die Gerechtigkeit soll meiner Wuth ihre Arme b. Sch. 194a [leihen, doch mit der Nüance: als etwas ihr Fremdes, nicht Gehöriges überlassen] und so auch refl.: Wenn ich mich | des Königs Mordbegier zum Werkzeug borgte [preisgäbe, überließe]. 226b; Darfmeine Bruderliebe | sich zur Verkürzung meines Bruders b.? 278a; Kann sich ... ihr edler Stolz zu diesem Amte b.? 181a.
3) Etwas auf Borg nehmen: Von, bei Einem b.; Wirst du vielen Völkern leihen und von Niemand b. 5. Mos. 16, 6; Zu einer kleinen Spekulation Geld von Ihnen b. Engel; Das Stück hatte sie von einer herumziehenden Truppe geborgt. G. 16, 100; Unter geborgtem [falschem] Namen. 19, 139; So soll auch der Vorgang ... von einem wirklichen Vorfall mit Jerusalem geborgt [entlehnt] sein. Guhrauer L. 2, 97; Musst bisweilen bei seinem Nachbarn borgen. Zinkgräf 1, 275 etc.
a) Rechenk.: Beim Subtrahieren Eins b., eine Einheit der höhern Ordnung herübernehmen, weil die abzuziehnde Zahl größer als der Minuendus.
b) Handw.: Ein geborgter Meister, ein in außerordentlichen Fällen nur auf kurze Zeit erwählter Obermeister etc.
Anm. Selten gilt borgen von einem unpersönlichen Subj. Der Teufel, dessen Füße vom Pferde borgen. IP. 5, 102. Das Wort hängt mit bergen (in Sicherheit bringen) und bürgen (s. d.) zusammen, woraus sich auch die veralt. und mundartl. Bed. (schonen, warten, sich vor Etwas hüten etc.) erklären, s. Benecke, Schmeller, Stalder, Brem. Wörterb. etc. Dazu zuw. Börgung, f.; –n, z. B.: Mz. V. Sh. 3, 513.
Zsstzg. z. B.: Áb-: Einem seltner: von Einem Etwas a., es von ihm borgen, entlehnen (s. d.): Das weite Maul ... scheint abgeborgt der scheußlichsten Hyäne. Alxinger D. 79; Stunden der Nacht, die ich dem Schlafe abborge. Chamisso 5, 168; G. 10, 279; 37, 247; Ihm ... eine Wendung nicht sowohl abzuborgen als abzustehlen. L. 5, 39; 4, 4; Ob meine Kraft nur Göttern abgeborgt, | nicht gottgeboren sei. Sch. 18a. Der Gothen, von denen es ... die Griechen ... abgeborgt. Spate 2, 5; s. Auf-b.
Án-:
1) Etwas a., durch Borgen sich an- eignen, versch. anleihen s. d. —: Daß ihn nun nicht mehr der Wahrheit | angeborgter Schimmer täuschen kann. Blumauer 1, 163; Angeborgte Akten und gekaufte Bücher. JP. 26, 38.
2) Einen a., ihn um ein Darlehn angehn etc. Hausblätter (57) 1, 84. Āūf-: borgend Geld etc. aufnehmen, zusammenbringen: 5000 Thaler haben wir drauf aufgeborgt. Prutz Woch. 23; Rabener 3, 383; Prahlst du ... mit der Wangen frischem Purpurblut | aufgeborgt [„abgeborgt“. 1, 16] von mürben Modern. Sch. 4a. Āūs-: borgend austhun, verborgen etc.: Geld a., ausleihn; Der .. junge Schweine verkaufte oder ausborgte. Horn Schmj. 21. Ent-: borgend entnehmen, Einem Etwas e.: Die meinem Blick e. ihren Glanz. Rückert 1, 131 etc., seltner mit von: Wenn von all dem Licht und Glanz entborget, | ein leiser Abglanz schlich in eure Seele. Grün Schutt 11. Er-: durch Borgen erlangen: Der deinen Arm zur Rettung sich erborgt. Alxinger D. 142; Leuchten mit erborgtem Licht. Burmeister G. 138; Habt von mir erborget eure Kraft. Chamisso 4, 7; Das Erborgte dieser Hauptfigur. Forster Ans. 1, 139; G. 10, 75 etc. Fórt-: Weg-b. Ver-: ausb., Geld, Waaren ver-b. etc. Zusámmen-: durch Borgen, nicht aus eignen Mitteln zusammenbringen: Welche aus der ganzen Nachbarschaft Schmucksachen zusammenborgten, um recht glänzen zu können. Bodenstedt 1, 246; Alles auf des Juden Bürgschaft zusammengeborgt, Nichts sein eigen als das rothe Gesicht. Hebel 3, 363; Sch. 1233a etc.