Faksimile 0178 | Seite 170
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blöd Blöde
I. Blȫd(e), a.: 1) urſprüngl. allgem. = ſchwach,
ſchwächlich, unkräftig; leichtbeſchädigt, zart ꝛc., z.B.:
Blödigkeit der Gedächtnis. Im Menſchen .. iſt Nichts
ſo ſchwach und blöd als die Gedächtnis; dann ſie empfindet
Schaden von Krankheiten ꝛc. Eppendorf 18; So wird es ein
blöd verdorben Werk. Fiſchart B. 265b; Der Ekel im Genuß
entdeckt das innre Blöde. Haller 157 [die Leere, Nichtigkeit];
Die blöd aufgehende Gerſte. Hohberg 2, 39b; Zarte und blöde
Gewiſſen. Luther 5, 531a; 6, 41a; Daß dieſer Menſch, et-
lichermaßen den Engeln gleich, menſchliche blöde Natur über-
traf. Stumpf 525b ꝛc. 2) dünn, mürbe, leicht zer-
reißend: In mürbes, blödes Tuch einen kleinen Riß machen.
Gotthelf Uli 2, 155; Kurz Weihn. 88; Wie b. und zart die
Hirnſchale ſei. Ayff Sp. 7a; Stalder ꝛc. 3) Ein blöder.
Magen, ſchwach, nicht viel vertragen könnend, von
ſchwacher Verdauung. Fiſchart B. 18a; Gotthelf U. 2, 91;
Ryff Th. 129; Keine Nahrung für blöde Magen. W. 21, 272
ꝛc. 4) (ſ. 3): Es iſt mir ſo blöd [flau, hellig]. Gott-
helf Sch. 42; Blöde ward es ihm an Leib und Seele und
loſe nur ſchienen ſeine Glieder zuſammenzuhängen [vgl.
ſchlottern]. G. 150; Peſtalozzi 1, 119; Stalder. Außer
dieſen mehr mundartl. Anwendungen allgem.: 5) von
den Augen, ſchwach, kurzſichtig. 1. Moſ. 29, 17; Da
ſtanden in dem Rauche die Alten b. und blind. Chamiſſo 3,
326; Des Kindes Auge ſtumpf und b–e. Meißner; Dem
Blick der b–en Maus entzogen. L.; Jſt dein Auge nicht b–e
vom Erdenſtaub. Tieck A. 2, 200; V. Od. 13, 399; W. 12, 52
ꝛc. 6) ebenſo vom Auge des Geiſtes, Verſtand:
Blöde [unverſtändige, ſchwachſinnige] Thoren. Chamiſſo
4, 4; Blöder Wahn. 81; Was todt iſt | einem blöderen
Sinn. Knebel 1, 46; In blöder Dumpfheit. Lewald Ferd. 1,
163; Sie ſchärft den blöden Sinn. Mühlpforth Hochz. 8; In
Dunkel muß der Geiſt ſich bergen, | damit’s die Blöden nicht
verſtehn. Platen 6, 5; V. 4, 86 ꝛc. 7) vom Herzen
ſchwach, zaghäft, furchtſam: Wer blöde und verzagt iſt,
der kehre um. Richt. 7, 3 u. o. bibliſch. Heute gw. nur
im Ggſtz. von dreiſt, = ſich nicht recht hervorwagend,
zumal von Dem, deſſen Betragen übermäßige Beſchei-
denheit aus mangelndem Selbſtvertraun und Befangen-
heit Andern gegenüber, denen er ſich unvortheilhaft zu
zeigen fürchtet, verräth: Blöde Hunde werden ſelten fett;
Der Tapfre ſiegt ..., den Blöden friſſt der Wolf. Gleim 4,
93; Den Unerfahrnen, den Blöden. G. 1, 226; Blöde Zag-
haftigkeit. Gutzkow R. 2, 265; Der Blöde wird freier und
freier. Heine Lied. 110; Foppte mich als einen blöden Schäfer.
Heinſe A. 1, 167; Wir ſind auch nicht blöde und am wenig-
ſten muß man im Gaſthof blöde ſein. L. 1, 529; Die blöden
Lippen aufzuſchließen. Novalis 1, 91; Die Blöden pflegt man
kahl zu traktieren. Zinkgräf 1, 248 ꝛc.
Anm. Ahd. blôdi, mhd. blcede, vgl. goth. bläuthjan,
auflöſen, ungültig machen, ferner das noch mundartl. blug
= zart, furchtſam und flau. Adelung rechnet es zu „blühen“
(ſ. d., Anm.). Veralt. auch von Frauen in der Zeit ihrer
Menſtruation. Franck Weltb. 121b.
Zſſtzg. zu 7, z. B.: Spiritus-ſcheu oder fuſel-b.
[Fuſel fürchtend, nicht trinken mögend]. Goltz 1, 146;
Schlummerte traumblöden Zauberſchlaf. Kürnberger Am.
237; Eine ganz eigene halbblöde verſchämte Lieblichkeit.
Zſchokke 8, 255 ꝛc.