Faksimile 0090 | Seite 82
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Bär
II. Bǟr, m., –en, (es); –en, (–e); –chen, lein; –en-:
1) ein zottelhaariges, spitzköpfiges, kurzschwänziges, plumpes, den größten Theil des Winters ohne Nahrung in seiner Höhle verschlafendes Raubthier der kalten Gegenden mit breiten menschenähnlichen Füßen, das auch auf den Hinterbeinen gehn kann und deßhalb mehrfach von sogen. Bärenführern zum Tanz abgerichtet wird. Ursus, weibl. Bärin. Weidm.: Der B. hat eine Haut (kein Fell), Tatzen, Branten, Pranken (Tschudi Th. 441) (keine Füße), Arme (st. der Vorderbeine, Tschudi Th. 439; 441; Fleming J. 87 etc.), geht, schlägt, raubt, brummt, wird aufgeschärft oder zerwirkt. Döbel etc. Der B. bringt [gebiert] ein ungeformt Stück Fleisch, welches er erst mit vielem Beschlecken recht formiert. Ryff Th. 90a, ein Märchen, worauf oft angespielt wird. 2) die Eigenschaften des Thiers oft in Vergleichen etc.: Trotzt der Kälte gleich dem B. Claudius; Sich behaglich eingrub, wie ein B. in den Schnee. Prutz; Dichter gleichen B–en, | die immer an eignen Pfoten zehren. G.; Freiligrath 1, 70; Hat den Schlaf eines B–en. Sealssield; Sich wie ein B. gewehrt. Höfer; Denkst du daran, wie wir bei Krakau schlugen, | den B–en gleich, die keine Wunde scheun? Holtei; Fliehn kann ich nicht, | muß wie der B. der Hatz entgegenkämpfen. Schlegel; Den stets grimmvollen B. V. Sh. 1, 20; Wüthend, zornig, bissig, hungrig, täppisch, rauh, plump, zutappen, drauf los gehn, sich umher werfen, sich umher wälzen, hungern, Hungerpfoten saugen, brummen wie ein B. etc., vgl.: Bärenhaft, -mäßig, -thum, -rauh, -stark, -zottig etc. 3) Oft auch gradezu ohne Vergleich für einen plumpen, rauhen, unbeholfnen, groben, brummenden Kerl, zuw. im Ggstz. zu Andern mit feinern Sitten und zierlichem Wesen als ehrlich und bieder: z. B.: Was für ein häßlicher unfreundlicher B. bin ich fast diesen ganzen Winter über gewesen! Auch träge, schwerfällig und dumpf und stumpf wie ein grönländischer B. .. Seitdem der Frühling wieder angefangen hat, mich etwas zu entbären, kann ich doch etwas mehr in artikulierten Menschentönen reden. B. 482a; Gradaus, ich bin der B. G. 2, 71; Sie werden diese Rose von einem B–en annehmen. Stein 1, 178; Der deutsche B.! G. 7, 155; Diese Nordsöhne gehn nach Jtalien und bringen’s doch nicht weiter als ihren B–en auf die Hinterfüße zu stellen. Zelt. 5, 127; So geh, du deutscher B. L. 2, 225; auch: Dein norddeutscher Aufrichtigkeits-B. Goltz 3, 111; Du dummer B.! [Tölpel]. W. 12, 88 u. o., nam. bei Heine, z. B. Verm. 1, 10; Börne 167; Der deutsche Edelmann, dem diese Künste in der bärenleckenden Lutetia mühsam eingeübt worden. Reis. 2, 47 etc.; zumal im Atta Troll, woraus folgende Stellen genügen mögen: Deutschland | heißt das Land, wo ich geboren, | B–en giebt es dort in Menge etc. 71; Bin ein B., ich bin es, | den ihr Zottel-B., | Brumm-B., Jsegrimm und Petz .. nennet. 44; Wohlbekannt | dünkt mir diese B–en-Sprache. 13; So ein Un-B. [vgl. Unmensch] ohne Ehrfurcht | vor dem Schöpfer. 39; Jung-B. 50; Fasel-B. 71 etc.; auch: Von dem B–en, der zuseinen Mit-B–n zurückkehrte. Reis. 2, 47; vgl. Brumm- B., Petz, Ehepetz, Matz etc. Auch geschichtl. Beiname, z. B.: Albrecht der B. 4) Sprchw.: Die Haut verkaufen, ehe der B. gestochen ist; Er habe den B–en noch nicht im Sack. Gotthelf U. 1, 222. Vielleicht hängt mit der bekannten Fabel von den Gaskognern (Hagedorn 2, 85), die den Wirth mit der Haut des noch ungefangnen Bären zu bezahlen versprachen, die sprchw. Redensart zusammen: Einen B–en auf-, anbinden, sowohl in der Bed.: Schulden machen, z.B. Heine Reis. 1, 183, vgl.: Die alten B–en abzubinden. Prutz Mus. 2, 139; Ihr seid doch in ’ner Stunde eure Bäre los, ich schlepp mein Lebtag an meinen. HSmidt Devr. 83 etc., als auch: aufschneiden, Einem Etwas vorlügen, aufbinden: Werdet ihr meinen, ich sei ganz dumm und man könne mir B–en aufbinden, einen ganzen Bärengraben voll. Gotthelf Sch. 22; König Kl. 2, 250; Kürnberger Am. 221; Kurz Weihn. 200; W. 32, 393; Mir auch einen Bären auf die Nase gebunden. Sealssield Tr. R. 1, 79 etc., vielleicht auch im Spiel mit „bären“ tragen, Einem Etwas aufbinden, woran er zu tragen hat. Hierzu auch: Ein Kahlenberger Spaß ist ein Kalembourg, ein Wiener B., wie deren der liebe Castelli eine Menge selbst angebunden und gedruckt später selbst losgelassen hat. Gutze ³ 2²² vgl.: Jrischer Bull. Und so in der Kusstspr. der Börsen: Daß zu jedem B–en, der auf die Baisse spekuliert, ein Bull gehört, der auf eine Hausse rechnet. Bucher Nat. Zeit. 7, 359. Veralt.: Den B–en treiben, den Kuppler, Zwischenträger treiben. HSachs 4, 3, 3d etc. 5) übertr. von 1:
a) B., gewöhnl. Wirthshausschild: Den Wirth zum schwarzen B–en. G. 7, 41; Herr Wirth zum B. Müllner 7, 107 etc.; Bärenwirth. Hebel 3, 488.
b) Bärenfell: Aus sieben Schanzen jagten wir | die Mützen von dem B. Gleim 4, 20; 125; vgl. Bärmütze.
c) Name zweier Sternbilder in der Nähe des Nordpols: Der große und der kleine B. oder Wagen, vgl.: Die B–n, der sonst der Himmelswagen genannt wird. V. Od. 5, 273; Th. 22, 21; 24, 11 etc.
d) Name eines Nachtfalters. Bombyx caja, der braune B: B–en, Trauermantel und Apollo. Tschudi Th. 48 etc.; auch die langhaarige Raupe, Bärenraupe, s. Bärenspinner.
e) Name einiger Aufgußthierchen, s. Wasser-B.
f) Kreuz und B., wo man macht, welches dem Andern das Seine abgewinnt. Gotthelf G. 320, wohl ein Kartenspiel.
Anm. Heute in allen Kasus außerm Nomin. meist B–en, nur in der Ez. ohne Artikel weil sonst Verwechslung mit der Mz. nahe läge in Dat. u. Accus. B.: In Furcht vor B. u. Wolf. Lichtwer 239; Jagden auf B. u. Wolf. Laube Band. 1, 118. Aber auch sonst: Des Bärs. Gehler Phys. Wört. (1790) 3, 533; 4, 701; Des Eisbärs. Eichelberg 148; Anatomie eines Bäres. Fleming J. 125; 88a etc. Im Dat. schreiben die Grimm, die im Wörterb. dies für „tadelhaft“ erklären: Dem Bäre u. dem Bär. Märch. 247; Von dem Bäre. Döbel 2, 124 etc.; Dem B. Alexis H. 2, 1, 3; Burmeister gB. 1, 105; H. (Merck’s Br. 2, 21); Lichtwer 185; Vogt Köhl. 61; V. Sh. 1, 20; Dem Wasch-B. Goltz 3, 111 etc. Accus.: Den B. G. 32, 91; Grimm M. 273; H. (Wackern. 2, 950 Z. 15); Jacobs Phil. 1, 16; L. 4, 487; Musäus M. 1, 4; Vogt Köhl. XXIII.; Den Eis-B. Burmeister Gsch. 523 etc. Mz.: Bäre. Döbel 1, 32a ff.; 2, 124a ff.; Fleming J. 125; L. 1, 108; 124; 3, 240; Lohenstein A. 2, 748; Müllner 5, 131 etc.; Brummbäre. Freitag Soll 2, 380 etc. Ähnlich auch als Bstw. zuw.: Bär-Mütze. Laube DW. 5, 61; Rosenkranz (D Mus. 1, 2, 18) etc., -mützig. Kühne Freim. 1, 27; -Fell. L. 7, 82 etc., s. Bärbeißig u. Bärenbeißer etc. Die Vrkl. bildet der radebrechende Bärenführer: Dummel dich Birkel! pip op, Bärken [plattd.: Pfeif auf, Bärchen]. Fischart Garg. 51b. Mz. des Fem.: Bärinne. Fleming J. 209a. Nach Frisch v. baren (s. d. I.) = brummen, andre Herleitungen, minder wahrscheinl. Frühere Schreibw. Beer bei Luther, Opitz etc. Ob u. in wieweit I., III. u. IV. stammvrwdt., ist fragl.
Zsstzg. s. 3, ferner: Āmeisen-:
1) die größre Art der polnischen Bären, Vrsus arctos, Moos-, Obst-, Ringel-B. 2) die kleinste der nordischen Bären. 3) Ameisenfresser, Myrmecophaga, der zu den zahnlosen Säugethieren gehört. Bēīß-: s. Bär- Beiß. Bérg-: Während die Naturforscher nur eine Art von Landbären anerkennen .., unterscheidet man bei uns [in der Schweiz] drei versch. Arten: den großen schwarzen, den großen grauen u. den kleinen braunen B–en. Tschudi Th. 438. Bīēnen-: Zeidel-B. Brúmm-: Bär. Grimm M. 249 etc., auch: Brummel-B. Claudius 6, 57 etc., oft v. Menschen [3]: Soweit weibliches Zureden die Entschlüsse männlicher B–e zu bestimmen vermögen. Freitag Soll 2, 380; Der eitle B. [Rousseau]. Heine Verm. 1, 10; Der alte B. Boreas. 144; Laß mir den B.! Platen 4, 29 etc. Eīs-: V. maritimus, der größte der jetzt lebenden Bären mit weichen weißen Haaren, am nördlichen Eismeer. Físch-: V. arctos; s. III. Bär. Grīsel-: V. ferox. Giebel 742. Hāūpt-: ein großer. Alexis H. 2, 3, 308. Hȫhlen-: Der präadamitische H. übertraf den Eisbär an Umfang noch beträchtlich. Burmeister. Hōnig-: Zeidel-B. Lánd-: V. arctos, s. Berg-B. Líppen-: I. labiatus. Mōōs-, Mōsel-: Ameisen-B. 1. Nórd- [5c]. Hbst-, Ríngel-: Ameisen-B. 1. Rǘssel-: Nasua, mit beweglichem Rüssel, in Ostindien. Schnāūz-: der brummende, anschnauzende Bär. Musäus M. 1, 21. Sēē-: Otaria ursina, Phoca ursina: Die Seehunde von der Art, welche man S–en nennt. Forster. Stēīn-: der kleinre poln. Bär. Tánz-: der gezähmte, abgerichtete, übrtr.: Jch sei eigentlich ein T., der tanzen müsse, wie sie geige. Gotthelf U. 2, 365. Tátz-: zum Untersch. vom Sau-B., s. I. Bär, z.B. S. Clara EfA. 1, 317. Wásch-: V. lotor, Procyon, mit spitzrer Schnauze, längrem Schwanz u. schlankrem Bau als der gemeine, auch Wasser-B. Wásser-:
1) Wasch-B.
2) Art Aufgußthierchen. Humboldt K. 1, 488. Wíckel-: Cercoleptes. Zēīdel-- Zēīsel-, Zīsel-: Stein-B., insofern er die Bienenstöcke zeidelt, übrtr. [3]: Ein alter Zeidelbär | von einem Oheim. W. 11, 166. Adelung trennt fälschl. Zeiselbär als Tanz-B., insofern er am Seil herumgeführt wird, s. Seideln. Zóttel-: der Bär nach seinen rauhen Zotteln. W. 20, 87 etc.