Faksimile 0088 | Seite 80
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bannen
Bánnen, tr.:
1) durch einen Bann (s. d.) oder ein unwiderstehliches Machtgebot Etwas binden, der freien, sich selbstbestimmenden Bewegung berauben, es mit gleichsam zauberhafter Gewalt uns unterwürfig, unserm Willen gehorsam machen (s. 4 und ver-b.), so daß es von der Stelle, wo es sich befindet, nicht fortkann, fesseln, festhalten, s. An-, Fest-b.: In einem Kreise b. (vgl. 2); Uns den Frühling rauben und durch bösen Zauber den Winter ewig b. Börne; Wie ein Vogel, den eine Schlange gebannt hat. Chamisso; Ein Zaubrer, weiß er Raum und Zeit zu b. Geibel; Das Pentagramma macht dir Pein? .. | Wenn das dich bannt, wie kamst du denn herein? G.; Ihn bannet keine heil’ge Stätte, | er waltet durch die weite Welt. WMüller; Er schwört’s beim Styx, der Styx hat ihn gebannt. Sch.; Er bannt das Glück, es muß ihm stehen. Ds.; Fest wie in einem festen Zauberringe hält | das Schicksal mich gebannt in diesem Namen. Ds.; Von ihrem Drachen .. gebannet und bewacht, | was wird die junge Frau ersinnen? W. etc.
2) mit unwiderstehlicher Gewalt über Etwas verfügen, es wohin versetzen und dort festhalten und fesseln, s. Her-, Hin-b.: In einen Kreis b. (s. 1); Aus einem Ort (s. 3) an einen andern b.; Geister b. Sie war ein streng ins Haus gebanntes Wesen. Auerbach; Bannte alle Wonne seines selig bewegten Herzens auf das Papier. Ds.; In den Kreis einer gewissen Anschauung gebannt. Danzel; In deine Gläser sind gebannt die Düfte von des Ostens Lenzen. Freiligrath; Bannst mich in diese Kühle. G.; Keine Ferne macht dich schwierig, | kommst geflogen und gebannt. Ds.; Sie haben den Schwindelgeist unter sie gebannt. Ds.; Einem heil’gen Bilde, | daran der Stadt unwandelbar Geschick | durch ein geheimes Götterwort gebannt ist. Ds.; Nicht an wenig stolze Namen | ist die Liederkunst gebannt. Uhland; Den hieher gebannten [verbannten] portugiesischen Sänger. OMüller; Mög’ er doch in kalte Steppen | b. uns. Platen; Wenn Einer an einen gewissen Ort hin, in eine Stadt, Dorf oder Markung also gebannt worden, daß er die vorgeschriebenen Grenzen nicht überschreiten darf. Pictorius etc.
3) mit unwiderstehlichem Machtgebot Etwas von seinem Orte weg treiben, vertreiben, verjagen, s. Fern-, Fort-, (Hin-) weg-, Ver-b., s. 2: Daß man den Teufel nicht beim Namen nennen darf, selbst nicht um ihn zu b. Börne; Bannte Lichtenberg’s klare Vernunft diesen frommen Dämon? Forster; Sie nicht bannt Verbannte. Freiligrath; Welche jene Gefahren aus ihrem Kreise gebannt. G.; Bereite hier den Sitz der Fröhlichkeiten | und banne Frost und Eigensinn. Hagedorn; Ihre Angst zu b. Heine; Nicht scheucht das Kreuz die süße Qual, | nicht bannt es die bittere Wonne. Ds.; Um jeden verdrießlichen Ton mir aus der Seele zu b. H.; Daß man das Mückenzeug dir von dem Leibe banne. Lichtwer; Wie trefflich kann sie b. [in ihre Schranken zurückweisen] | Geister auch von Fleisch und Bein! WMüller; Des Vaters Haupt| vom stillen Herrscheramt zu b. Schlegel etc.; Bei Todesstrafe aus der Gemeinde gebannt. Scherr; Wenn die Regierung dich [ver-]bannt oder gefangen setzt. Tieck etc. So auch Einen aus der Kirchengemeinschaft stoßen, erkommunicieren, mit dem Kirchenbann belegen. Luther 6, 5b.
4) ohne örtliche Beziehung nur allgemein: eine unwiderstehliche, gleichsam zauberhafte Gewalt auf oder in Bezug auf Etwas ausüben, z. B.:
a) bändigen, unserm Willen gehorsam und unterwürfig machen, z. B.: Geister b., sowohl sie heraufbeschwören als auch (namentlich böse, z. B. den Teufel) weggehn heißen, selten mit ausgelassnem Obj.: Raubt Salomonis Siegel, | der Geister Graun, und bannt. V. 3, 130, substant.: Mitternächtig Geister-B. Scheffel 99, und veralt. = bändigen, ohne Nebenbegriff: Alte Hunde sind bös zu b. Sprchw.
b) durch einen Fluch, Zauber binden, verfluchen, verwünschen: Dich bann’ ich ohne Anker, ohne Segel | zu irren auf dem feindlich dunklen Meere. Böttger 4, 196; 187; Gebannte Schlösser zu befreien. LHNicolai 1, 142. d) Etwas unter einen schirmenden Bann legen, es für heilig, unverletzlich erklären: Der kluge Böhme [Zigeuner] .. | der Alles bannen kann, der hat .. mir meinen Garten eingesegnet | und .. mein Obst in Sicherheit gestellt. Ramler F. 2, 473. Die Bäume seien | gebannt .. und wer sie schädige, | Dem wachse seine Hand heraus zum Grabe. Sch. 535a. e) (s. d) so zumal als unverletzliches Eigenthum eines Gewalthabers, als Regal etc.: Den Hochflug und das Hochgewilde b. in unsern freien Wäldern. 526a, s. Ver-b. 5. f) Zu der Mühle ist dies Dorf gebannt, steht unter dem Mahl-B. oder -Zwang, darf nirgend anders mahlen lassen.
5) Dazu:
a) Der Banner. Luther 1, 285a; Sonnenberg D. 1, 481; Bannerin [Here]. Schlegel Heinr. VI. 5, 3; Wein, der allmächtige Banner des Kummers; Geister- (Sch. 749b); Teufels-Banner. Musäus M. 1, 55 etc.
b) Bannerei, f.; –en: Treiben eines Banners; Teufelsbannerei. Keller gH. 1, 199 etc.
c) Bannung. Gutzkow Bl. 1, 495; Teufelsbannungen. Immermann M. 2, 285; Eh’ er in die [Ver-]Bannuns ⁰s.H. 5, 157.
d) Gebanntheit, das Gebanntsein, s. Fest-b.
Anm. Veralt. Bedd.: vorladen (s. her-b.); unter Straf- androhung ge- oder verbieten; bekannt machen; Steuern eintreiben; Tage b. oder binden, sie als Gerichts- oder Feiertage festsetzen (s. 4d). Frisch und Zwingli 1, 8 u. ä. m. Früher auch mit starkformiger Abwandlung: binn, gebannen. Schmel- ler und Benecke. Vgl. Bann, Band, Binden. Nbnf.: Bannieren. Fischart B. 50a; Bannisteren. Spindler Stadt 1, 101; Cieck NKr. 4, 201; Zu Hof ist die liebe Wahrheit verbandisirt. Wackernagel 3, 1, 917 Z. 5 (S. Clara) etc. s. Schmeller.
Zsstzg. z. B.: Áb-
1) [1]: Sie wöllen’s ihm a. [durch den Bann abnehmen]. Luther SW. 26, 59.
2) [3]: Bannen ihn | ab vom Himmel. H. 15, 289; s. herab-b. etc.
3) Veralt. = apanagieren. Schottel 618. An-:
1) [1] Am Bettfuß angebannt. G. 2, 176; Dem Boden angebannt. 4, 110.
2) [2] Die Zauberin, mit mächt’ger Hand, | hat ihm die Krankheit angebannt. Āūf-: herauf-, empor-b. oder -beschwören. Āūs- [3]: bannend austreiben: Den Teufel a.; Ein Alräunchen des alten Aberglaubens, das sich nicht a. läßt. Heine; Man hat alle fremde, auch sogar eingebürgerte Wörter a. wollen. Leibnitz. Eīn- [2]: Eingebannt nach Zauberweise | schwebt sie [die Freude] dann in unserm Kreise. Blumauer; In die Kreise der Sprachkunst | einzubannen den Geist, der im Unendlichen schwebt. Brinckmann. Empōr- [2]: heraufbeschwören: Das E. dieses Nebelspuks. V. Férn- [1 und 3]: Ein ferngebanntes Wetterleuchten. Roquette; Den .. Sänger hält man ferngebannt verschlossen. Uhland. Fést-: [1 und 2] und danach mit leichter Nüance mit Dat. oder Accus. bei den Präpos.: Oskar’s Blicke waren festgebannt auf das Glas. Börne 2, 289; In diesem Kreise festgebannt. Danzel 105; Festgebannt von seinem Auge, von seinem ganzen Wesen gebunden. Gutzkow; Ein feindlich Gift in seinen Busen festgebannt. WHumboldt 3, 61; An diese Lippen festgebannt. Novalis 1, 42; Ist der Schmerz in Lethe’s Welle | tiefversenkt und festgebannt. Sch. etc. Dazu [5d]: Vermöge ihrer Festgebanntheit in die Formen. Danzel 297. Fórt- [3]: weg-, ver-b. H. 8, 290. Gêgen-: wider-b., gegen einen Bann oder Zauber ein Entgegenwirkendes anwenden. Hêr-, Hín- etc. [2]: Von Neugier hergebannt. Blumauer; Wenn die Geister entlassen sind, die sie hergebannt hat. G.; Vom König hergebannt [berufen, s. Anm.] zu Rath und Fehde. Müllner 3, 42 etc. Ihr bannt mich mit dem Zwirn so fest vor euch hin, ich kann euern Augen nicht ausweichen. G.; An der Höllenpforte Angel | die Zwietracht hingebannt. Ramler etc.; Zum Felsen hingebannt. W. 20, 119 = durch den Zauber in einen Fels verwandelt. Kannst du die Sonne wieder hinter den Horizont hinab-b., wenn sie in all ihrer Pracht und Gluth hinaufgestiegen? Scherr. Wodurch denn die Geister jener Tage zwiefach an uns wieder herangebannt wurden. G. Der Geist lässt sich ohne sympathetische Kunststücke nicht heraus-b. [3]. Claudius. Aus deiner Seele konnte die Vernunft die Gespenstergeschichtchen nicht hinaus-b. [3]. W. Der Fluch, den der alte Oheim in sein Geld hineingebannt hatte. Prutz. Der gottbesäeten Erde, wovon sie längst hinweggebannt [3] sind. G. 34, 181 (vgl.: Von dem ein alter Fluch sie längst verbannt. 13, 44); 6, 430; 12, 9; 13, 300; H. 9, 204 etc. Rück-: s. Zurück-b. Ver- [1, 2, 3 und 4]:
1) [2] wohin bannen: Bist du vielleicht in Töne, | du Flüchtige, verbannt? H. 15, 28; Es ist ein verständiger Hund, ich halte immer, es ist einmal ein Schatzgräber darin verbannt worden. ChWeiße Tobias 1, Sc. 15.
2) [4a] Sich des Geistes zu erwehren, | ließ er sich heimlich das V. [3] lehren. Gellert 1, 29; Das V., worunter man das Vertreiben von Geistern und Gespenstern versteht. Will- komm Sag. 1, 20; [Den Teufel] verbannt aus einer besessenen Jungfrau. V. 3, 139 etc.: Zum Diebes-V. [1] braucht der Mensch die Kraft von unten. Kinkel E. 382.
3) (veralt.) in den Kirchenbann thun. Fischart B. 44a; 46b; 50a; Stumpf 81b etc.
4) (veralt.) verfluchen. Apostelg. 23, 12 ff.; Jes. 11, 15; Ich bin eine verdammte Seele und bis an den jüngsten Tag verbannet. Hammer RH. 393 etc.; vgl. zu 7: Weisheit ist das Erbtheil Gottgesandter, | Gut das Erbtheil Gottverbannter. Rückert Morg. 1, 111.
5) [4e] Etwas für heiliges Eigenthum eines Höhern erklären: Das Hochgewild verbannet, ja auch die wilden Schwein der Oberkeit zugehörig. Stumpf 609a etc.; nam. bibl.: für gottgeweiht (z. B. Mich. 4, 13; 3. Mos. 27, 28 ff.), dann auch für gottverflucht erklären und es der Vertilgung preisgeben. 5. Mos. 2, 34; Alles Volk verbannete [vertilgte] er mit des Schwertes Schärfe. 1. Sam. 15, 8 etc.
6) durch ein Gelübde etc. binden, fesseln: Verbannt sein klügstes Glied [die Zunge] und ist aus Andacht stumm. Haler 74etc. Am häufigsten aber jetzt:
7) durch einen Spruch aus einem Gebiet verweisen: Hutten .. floh geächtet | und grollte noch verbannt. Freiligrath; Verbanne mich .. an einer Klippeninsel traurig Ufer. G.; Sich aus der Welt ver-b. Haller etc., selten mit Genit.: Ich bin aller Länder verbannt. Kurz Sonn. 401. Oft im Partic. substant.: Hier öffnet sich die Heimath dem Verbannten. Sch. etc. Dazu nam.: Verbannung, Exil, Elend.
8) (s. 7) allgem.: vertreiben, fortschaffen, ausschließen, verpönen etc.: [Apoll will] von uns ver-b. diese Pestilenz. B. 142 b; Alle harte Konsonanten sind daraus [aus der Sprache] verbannt. Forster; Verbannt ist Pantoffel und Mütze. G.; Zum Wohle deines Vaterlands verbanne | den eignen Schmerz. Ds.; Verbannt sind nun alle Hypothesen. Mendels- sohn etc. Die Hanswurstenstreiche verbannte er von seiner Bühne hinweg. Gervinus Sh. 1, 96. Wég- [3]: hinweg-, fort-b.: Zaubre diesen Glanz von meinen Blicken weg! ... Bann auch Dieses weg. Börne; Den Schlaf von seinem Lager weggebannt. Sch. u. v. Wīder-: Gegen-b.: Bannen mit W. vertreiben. Zurück-: in den untrennbaren Formen auch rück-b.:
1) durch einen Bann Etwas zurückscheuchen, fort-b.: Manchmal mag noch der alte Adam spuken, aber nur vorübergehend, denn die junge und frische Natur wird ihn bald z. Auerbach Ab. 182; SchV. 358; Kohl J. 2, 80.
2) bannend in den frühern Zustand zurückversetzen: Ins Elend hab’ ich mich zurückgebannt. Chamisso 4, 124.
3) das früher Vorhandne bannend zurückrufen, wieder heraufbeschwören: Rückbannen die entflohnen Zeiten. Lenau 1, 56; Wär der Geist schon halb gelöst, | der Schrei bannt ihn zurück. Scherr Pr. 242; Heine Lut. 1, 151 etc.