Band 1, Faksimile 0005
Band 1, Faksimile 0006

Vorwort.

Das deutsche Wörterbuch, dessen erste Lieferung 1859 erschien, ist jetzt, im siebenten Jahre, beendet.

Wer ein solches Werk unternimmt, kann natürlich von vornherein sich die Mühseligkeiten und Schwierigkeiten nicht verhehlen, die damit verbunden sind. Aber er überblickt sie doch eben nur im Ganzen und Großen; denn sähe er mit voller Klarheit sie im Einzelnen so vor sich, wie im Verlauf der Arbeit er sie einzeln durchzumachen und zu überwinden hat, — ich zweifle, ob je Einer zu einem solchen Werk sich entschlösse.

Wenn er dann aber mit Aufbietung all seiner Kraft, durch vollste Hingabe an das Werk es in unermüdeter Ausdauer zu Ende geführt hat, so darf er wohl immerhin mit einer gewissen freudigen Genugthuung den aufgeführten Bau betrachten, so wenig er sich auch über Das täuscht, was dem beendeten noch zur Vollendung fehlt.

Denn erstens ragen — worüber ich auf Nr. 5 der „Anleitung zum Gebrauch“ verweise — hie und da im Bau noch Wartesteine hervor; dann aber, auch abgesehen von Fortbauten, die planmäßig einer spätern Zeit vorbehalten blieben, ist es da, wo es die Bewältigung eines so riesigen Stoffs gilt, auch bei dem eifrigsten und redlichsten Streben nach Vollständigkeit und Richtigkeit unmöglich, dass nicht doch mancher Jrrthum zu berichtigen und, auch innerhalb der dem Werk mit Bewusstsein gesteckten Grenzen, manches Übersehene nachzutragen, mache Lücke auszufüllen sei.

Hierauf habe ich schon während der Ausarbeitung dieses Werkes unablässig mein Augenmerk gerichtet und für ein Ergänzungsheft gesammelt, das ich in nicht zu ferner Frist erscheinen zu lassen beabsichtige, und wozu Beiträge mir erwünscht sein werden.

Namentlich giebt es eine Menge gewerblicher und geschäftlicher Ausdrücke, die und deren Erklärung man besser als aus Büchern aus dem Leben selbst schöpft, und hier bietet sich für gebildete Kaufleute, Gewerbtreibende etc. gewiss Gelegenheit zu Nachträgen, wenn sie das Wörterbuch besonders mit Rücksicht auf das ihnen zunächst liegende Fach fleißig nachschlagend benutzen wollen.

Möchten recht zahlreiche Freunde unsrer herrlichen Muttersprache mich darin unterstützen, das Werk dem gewünschten Ziele der möglichsten Vollständigkeit und Vollkommenheit immer näher zu bringen!

Schon, wie es jetzt vorliegt, hat die Kritik ihm die Anerkennung gezollt, dass es den Wortschatz, die Bedeutungen und Anwendungen der einzelnen Wörter, ihre Fügungen und grammatischen Verhältnisse in einer Vollständigkeit darlege, hinter der alle andern Wörterbücher bei Weitem zurückbleiben.

Diese Fülle des Stoffs aber auf einem verhältnismäßig so geringen Raum zu bewältigen, war nur möglich durch strenge Einhaltung eines vorher in allen Einzelnheiten sorgfältigst erwogenen, dem Wesen unsrer Sprache selbst abgelauschten Planes *).

Ehe ich dieses kurze Vorwort schließe, fühle ich mich gedrungen, in dankbarer Anerkennung der mir dadurch gewordenen Förderung, es öffentlich auszusprechen, dass die großherzogliche Bibliothek in Neustrelitz mir zur Benutzung auf die liberalste Weise freistand.

Ferner habe ich Denen meinen Dank zu sagen, die auf meine beim Schluss des ersten Bandes ausgesprochene Bitte mir Belegstellen für das Wörterbuch haben zugehen lassen, darunter vor Allen Herrn Professor August Wilhelm Geers in Chur, den das rege Jnteresse an dem Wörterbuch mir zum Freunde gewonnen, und der für dasselbe mit untermüdlicher Ausdauer aus dem reichen Schatz seiner Belesenheit mir eine Fülle der schlagendsten und treffendsten Beispiele gespendet hat.

Und nun zum Schluss wird es vergönnt sein, einem tiefen Herzenswunsche Ausdruck zu geben. Möge mein Wörterbuch, ein Werk deutschen Fleißes und inniger Liebe für das große deutsche Vaterland, an seinem Theile mit dahin wirken, das Gefühl der Zusammengehörigkeit in allen Gauen Deutschlands zu stärken und zu kräftigen! Dess walte Gott!

Strelitz, 3. Juli 1865.

Daniel Sanders.

*) S. dessen ausführliche Darlegung und Begründung in meinem „Programm eines neuen Wörterbuchs der deutschen Sprache.“ Leipzig 1854.