Faksimile 0461 | Seite 459
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erobern
Erōbern, tr.:
(veralt.: eröbern) 1) eig.: den Feind durch Waffengewalt überwindend, etwas von ihm besetzt Gehaltnes einnehmen; Ein Land, Reich, Schloß, eine Festung, Burg, Stadt, Provinz etc. e.; Die Stadt zu e. 5. Mos. 20, 19; Hat die feste[n] Städte eröbert. Macc. 1, 1; Jud. 2, 12 etc.; Er erobert, | wenn er nicht weicht, an jener Kaiserstadt, | sich Nichts als einen prächtgen Leichenstein. HKleist Hint. 244; Das Schloß ist eröbert. Luther 1, 422b; In Kriegen werde Erobertes nach den Orten, Er- beutetes nach den Leuten getheilt. JvMüller 24, 304 (s. u.) etc. Zuw.: Die Bewohner eines Landes e., statt: das Land, z. B.: Werden die erst eroberten Norweger unruhig. G. 17, 19 und veralt. (s. 2) auch von bewegl. Gütern = Beute gewinnen, erbeuten (s. o.): Er er- öbert einen großen Raub, viel Gold, Silber, Seiden, Purpur und groß Gut. 1. Macc. 4, 23; Der eröberten Beute. Hebr. 7, 4 etc., wie auch: Daß sie ein Scharmützel, Sturm oder Feldschlacht eröbert [gewonnen]. Fronsperg 1, 90a; Einen Sieg eröbern. Franck Weltb. 5a; Luther 3, 179a; 6, 272b; Ihr habt .. den Sieg an dem [über den] alten Drachen er- obert. 6, 272b etc., und: Jemand e., ihn bewältigend gefangen nehmen, s. Schm. 1, 13; Pictorius 115d; Er er- oberet Desiderium, ihren letzten König, nach langer Belagerung der Stadt Paffey [Pavia] zu Gefängnis. Stumpf 226a etc., heute nur noch übertr. (s. 2: Herzen e. etc.). 2) (s. 1) übertr. und verallgemeinert: durch Ringen, Kämpfen, ausharrendes Streben etc. den Besitz von Etwas erlangen, so desselben sich bemächtigen, es erringen, gewinnen, z. B. (Bergb.) vom Gewinnen der Erze etc., ferner: Die Kokette sucht aller Männer Herzen zu e.; Wenn er nur die Überfahrtskosten e. könnte. Auerbach Gv. 203; Als nun die Jagd das Gebirg und den sperrigen Dickicht erobert. B. 246b; Sturmschritts e. warme Menschenherzen. Freiligrath 2, 86; Hügel, dessen ganze Seite die Kultur auch schon erobert hat [für die Bebauung gewonnen]. G. 26, 132; Die weitläufigsten von der Baukunst eroberten Plätze. 31, 153; Man hatte, den alten Arm der Saale .. ins Trockne zu legen, einen Durchstich angeordnet. .. An dem eroberten Boden .. An dem errungenen Boden. 27, 49 (s. JvMüller 1, 423); Anmaßung, diese Ggstde in so kurzer Zeit e. und beherrschen zu wollen. 23, 288; Auf dem er- oberten [durch meine Anstrengung erreichten] Lande. 58* Gutzkow R. 9, 372; Für 5 Rubel erobert man sich kaum einen Platz im Parkett. Kohl Pet. 2, 314; Das ist der Preis und Dank, den Emser am Luther in diesem Sand erjagt, erstritten und eröbert hat. Luther 1, 395a; 3, 366b; 509aetc.; Erstürme nicht, was ordentlich erobert werden muß. JvMüller 14, 379; Man hat .. Erdreich über die Meere er- obert. 1, 423 [es dem Meer abgewinnend trocken gelegt, s. o. G. 27, 49]; Theilt mit uns, was euer Netz erobert [erbeutet, die Fische]. Platen 4, 356; Durch alle Meere setzt | dem Räuber nach! erobert euch die Schwester! Sch. 503b; Der im ganzen strengen Rath der Weiber | bestochne Richter sitzen hat . . ., | der, wo er nur bemerkte, schon er- obert etc. 261b; Der Abt eroberet [gewann] die Sach durch seinen Anwalt. Stumpf 376b und veralt., indem der Begriff des mühsamen Abkämpfens etc. minder hervor- od. ganz zurücktritt: Männiglich behilft sich .. des Nutzes, der aus der Milch .. erobert [gewonnen] wird. Stumpf 607a; Wird öfter der ganze Brautschatz verprasset wann [als] Etwas davon erobert [erübrigt, s. d.]. Kantzow 2, 405 etc.; Bei einer Frau einen Erben e. Schaidenreißer X; Aus einer Dienerin einen Sohn e. 13b, ihn zeugen etc., vgl. Schm. 3) Dazu (1 und 2):
a) das Partic. Präs. verschmelzend mit Obj.: Als all-e–d (2) vom Indus her | der junge Bacchus kam. Hölderlin (Wackern. 2, 1268 Z. 28); Die herz-e–de Schöne; Einen Widerschein der welt-e–den (1) Größe ihrer Nation. Schlegel Dram. 2, 2, 366.
b) das verneinte Partic. Pass.: Wollt ihr unerobert wohnen. G. 12, 218; Teutonien erlag | nur Singen, un- erobert. Kl. Od. 1, 257; 2, 4.
c) Wilhelm, der Er- oberer; Herrschaft wird Niemand angeboren und, der sie ererbte, muß sie so bitter gewinnen als der Eroberer. G. Lav. 110; Sch. 491b; Heinrich, da sein Vater ein Erobrer | hat Aussicht, mehr Erobrer zu erzeugen. Schlegel Sh. 7, 349; Der Erobrer der Herzen; Der Städteerobrer; Alexander der Welterobrer etc. Weibl. (s. Abenteurer, Anm. und Ober 4a): Zur Eroberin der Welt. H. 9, 398; Die Herzenserob(r)erin.
d) Erob(e)rung, f.; –en; –s-: das E. und das Eroberte, sowohl eig.: Die Erobrung einer Stadt, eines Landes; Ein durch seine Erobrungen berühmter Feldherr etc., als auch übertr.: die Erzgewinnung etc. und nam.: Eine Kokette geht auf Eroberungen aus, macht viele Erobrungen; Daß .. Philine an dem Stallmeister eine Eroberung gemacht. G. 16, 163; Die lebhaften Pariserinnen träumten nur von der Eroberung der Eroberer. Ring SohnNap. 1, 261; W. 5, 134 etc. und: Fragt ihr, welchem Preis die schlanke | Erobrung [eroberte Schöne] ich denn wohl verdanke. Freiligrath 1, 298 etc.
Anm. Ahd. oparón, mhd. obern, der Obre, Überlegne werden, überwinden etc.; daher e.: überwindend erlangen etc., s. Schm. 1, 13.
Zsstzg. z. B.: Áb-: erobernd abnehmen: Diese [die wahre Aufklärung des Volks] erobert uns Niemand ab. IvMüler 14, 55; Schücking Mark. 1, 86.
Dúrch-: Wer die Welt durcherobert hat. Jahn V. 302.
Wī(ē)der-: früher Beseßnes erobernd widererlangen, zurück-e.: Ich hab Demetrium verjagt und mein Erbland „wider eröbert“. 1. Macc. 10, 52; Die Wiedereroberung von Leipzig. Sch. 948a; 1041a etc.
Zurück-: wider- e., eig. und übertr.: Als wolle der See das eingebüßte Erdreich z. Grube 3, 231; Entwandte Schätze (Gutzkow R. 6, 225), ein Recht (Kompert Pfl. 1, 198), das halbverlorne Terrain (Lewald W. 2, 300), einen Säbel (Talvj 2, 281) z.; Welche die Schlüssel der .. Geistesbildung deutscher Stämme, durch die Kämpfe wackrer Vorfahren kaum zurück- erobert, kampflos aufs Neue an Rom ausliefern. Strauß Hutten etc.
Zusámmen-:
1) gemeinsam erobern.
2) durch Erobrung zusammenbringen: Ein Königreich, das ein kriegerischer Fürst zusammenerobert hat. Mügge Standp. 17 etc.