Faksimile 0424 | Seite 422
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Neige
I. Nēīge, f.; –n; Neigchen, lein, elchen (s. 3):
1) Verneigung, Verbeugung: Eine bäurische N., einen dummen Knix machen. L. 7, 61; Ich möchte schon Ihre tiefe N–n sehen. Rabner Br. 55 etc., vgl.: Vor dem Herrgott mach ich einen Neiger. OLudwig Thür. 1, 71 etc. 2) (ohne Mz.) Stelle oder Punkt, wo Etwas sich neigt, senkt, z. B.: Senkung, Abhang eines Berges etc.: An der N. eines Hügels. Geßner 1, 43; Mendelssohn 4, 1, 463. So auch von der sich neigenden, sinkenden Sonne etc. (s. Aben und vgl.: Bis zu der Sonne Neigen. Lenau Sav. 6), z. B.: Da der Tag schon war an seiner N. | und die Sonn’ an ihrer Niedersteige. Rückert Mak. 2, 212; An meinem Horizont | geht alles Licht zur N. Freiligrath SW. 5, 331; OMüller Med. 1, 244, Denkend der N. des Tags. Baggesen 1, 192; Ein langer Tag ist wieder auf die N. Oehlen- schläger Gd. 136, übertr.: So spat am Tag und in der Abend- N. seines Alters. Zinkgräf 1, 294; Wenn Söhne in reifem Alter und Väter auf der N. seien. V. Sh. 3, 163, ausgedehnt auf größre Zeiträume (vgl. Abend 2): An des Jahrhunderts N. [zur Zeit, wo dies sich dem Ende nähert]. Sch. 22b; Seit der N. des 15. Jahrh. Uhland V. 979; Einige Jahre um die N. des Mittelalters, hin oder her. Vischer Ästh. 2, 369 etc. und noch verallgemeinert: Es geht mit Jemand (z. B. Cham. 3, 256; Möricke N. 588 etc.) oder mit Etwas zur N., es geht seinem Ende zu; Etwas geht zur, auf die N., ist auf der N. (s. 3 u. Hefe); Benedir 8, 45; Cham. 4, 135; Wenn unser Blut anfängt, auf die N. zu gehen, wie der Wein in dieser Flasche erst schwach, dann tropfenweise rinnt. G. 9, 92; Weil mein Fäßchen trübe läuft, | so ist die Welt auch auf der N. 11, 179; Pz 3, 143 etc., auch: Es ist zur N. [ge-]kommen. Opitz 2, 59; Das röm. Reich ist auf die todte N. kommen (s. 3). Mathesius Lthr. 135a etc. 3) (s. 2) das Letzte von einem Vorrath, der Rest von etwas auf die N. oder zu Ende Gehndem, nicht selten verkl.: Eine N. Äpfel, Zeug etc. Adelung; Ein Neiglein Holz, Äpfel, Geld etc. Schm., nam. aber hochd. von Flüssigkeiten, (vergl. Bodensatz, Boden-N.), insofern, um sie herauszuschaffen, das Gefäß übergeneigt werden muß, zumal von Getränken, ferner übertr.: Eine N. Bier, Wein; Alle N–n zusammengießen; Aus bis zur N.! | trink aus! Freiligrath Garb. 109; Stimmt mit ein | bei dieser N. Wein. G. 1, 105; 106; Schaudre nicht, | die N. dieses bittern Kelchs zu schlürfen. 13, 339; Die N. des ausgepreßten Olivenöls. 39, 37 (vergl. Druse 5); Er hat durch seine Ausschweifungen schon längst seine Gesundheit zu Grunde gerichtet und bei der Kamilla Martella die N. seiner Kräfte vollends so abgezapft, daß etc. Heinse A. 1, 204; Wohl ihm, der bis auf die N. (2) | rein gelebt sein Leben hat. H. 15, 35; Daß Nichts davon blieben, denn eine faule N. von zugelaufenen Buben. Luther 8, 121b (vgl.: Eine Grundsuppe aller losen, bösen Buben. 120b); Dir bleibt die N. [das Schlechteste etc.]. WhMüller 2, 410; Rückert E. 1, 117; Lasset uns heut | noch schlürfen die N. der köstlichen Zeit. Sch. 330a; Die N. meines Lebens. Schlegel Sh. 6, 353a etc., s. Ausneigen 2.