Faksimile 0287 | Seite 285
meißeln
Mēīßeln, tr. und intr. (haben):
mit dem Meißel arbeiten oder bearbeiten, auch übrtr.: An einem Stein, den Stein, ein Loch in den Stein m. etc.; Ehe er aus den Klötzen, welche er angestellt, ordentliche Knechte herausgehauen und zurecht gemeißelt. Gotthelf U. 2, 64; Der Geist meißelte eine ahnende Sinnigkeit in den Stein. Heine Lut. 1, 238; Du zürnst, daß man noch jetzt die Götzen meißelt. Seume Sp. 372; Für ihr Nest „meiseln“ sie ein zirkelrundes Loch in alte kernfaule .. Stämme. Tschudi Th. 82; Der Schild, wie ein wölbender Himmel gemeißelt. V. Ov. 2, 292; Hieran fügt ich das Bett und meißelt’ es bis zur Vollendung. Od. 23, 199 etc.; Eine Wunde m., mit dem Meißel (s. d.) behandeln. Brant. Narr. 23, 15 etc., vgl. aus-m. 1. S. auch Meißel, Anm.
Zsstzg. vgl. die von hauen, stemmen etc., z. B.: Áb-: Das Unebne vom Stein, den Stein a.; Den Künstler zum „Abmeiseln“ dieses Kammes zu bewegen. Vogt Oc. 1, 213 etc.
Āūf-: mit dem Meißel öffnen, z. B.: Knochen a. oder: mit dem Meißel auf Etwas eingraben: Der auf dem Leichenstein auf- (od. ein-) gemeißelte Spruch etc.
Āūs-:
1) mit dem Meißel aus Etwas herausschaffen: Wie sollte eine Nekrose geheilt werden, wenn man nicht Muth hat, den todten Knochen auszumeißeln und dem Lebendigen die Heilung zu überlassen? G. Br. 315a etc.
2) mit dem Meißel aushöhlen: Ein Loch a. etc., s. 3.
3) (s. 2) mit dem Meißel vollendet ausarbeiten, auch oft übrtr., vgl. ausarbeiten, ausfeilen etc.: Basaltriffe mit wundervollen von der Natur selbst .. ausgemeißeltem Gethürme. Fallmerayer Or. 1, 149; Bogen und Gewände waren aufs zierlichste vom Steinmetz und Bildhauer ausgemeißelt. G. 20, 159; Mienenspiel, das jeden Affekt mit Blitzesschnelle ausmeißelt [darstellt]. Goltz 1, 231; Das A. lukrezischer Hexameter. Hegel 17, 631; Platon’s Symposion ist ein bei nächtlicher Lampe mit größtem Fleiß ausgemeißeltes, poliertes und vollendetes Werk. W. 23, 263; Zierlich ausgemeißelte Perioden. Att. 2, 3, 44 etc. Be-: mit dem Meißel bearbeiten, behauen etc. I. Dúrch-: hindurch-m.: Ein Loch d., ein hindurchgehndes Loch in einen Ggstd. ein-m. und meton.: Den Ggstd. d. s. II. II. Durch-: meißelnd durchlochen (s. I). Eīn-: meißelnd eingraben etc. Fórt-: mit dem Meißel fortschaffen, weg-m., s. ab-, aus-m. Hêr-, Hín- etc.: Etwas aus dem Stein heraus-, ein Loch hindurch-, Buchstaben hinein-m. etc.; Das aus dem Marmor heraus- (oder hervor-) gemeißelte Jupiters- antlitz etc. Nāch-: meißelnd nachbilden: Knaufe und Rundungen, die in Sandstein den knöchernen menschlichen Schlüsselbeinen und Gelenkpfannen nachgemeißelt schienen. Gutzkow R. 3, 77; Die Schwestern [Malerei und Skulptur] | kommen und freuen sich deiner [der Kupferstechkunst], die eine malt dann, die andre meißelt dir nach. Kl. Od. 2, 246. Um-: meißelnd umformen: Der Kurhut habe in eine Freiheitsmütze umgemeißelt werden sollen. König Kl. 3, 266. Ver-:
1) meißelnd verbrauchen. 2) meißelnd verderben, verpfuschen, vgl. verhauen 3. Zer-: durch Meißeln entzwei machen oder verderben etc.