Faksimile 0921 | Seite 913
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kitzeln
I. Kitzeln: 1) intr. (haben):
einen Kitzel fühlen oder empfinden (selten, s. 2 u. 4): Wenn ihm doch auch einmal die Sohle kitzelt, | wenn ihm der sichre Schritt versagt. G. 12, 17. 2) tr.: Einem Kitzel (eigentl. u. übertr.) erregen:
a) eigentl.: Ich lache, weil er mich kitzelt; Mit seinen Stiefeln dem Thiere .. die Weichen zu k. Gutzkow R. 1, 60 etc., auch mit Angabe der Wirkung: Sie werden mich todt k. L. 8, 195 etc.
b) übertr.: eine sinnlich angenehme Empfindung erregen, den Sinnen schmeicheln etc.: Beim Gelage gaumen-k. Droysen A. 1, 40; Damit nicht bloße Biegsamkeit gegen ihre Meinungen und Schwachheiten ihre Selbstliebe k. möge. Forster Br. 1, 416; Wer sich die Rosen, die blühenden, bricht, | Den k. fürwahr nur die Dornen. G. 1, 101; Die Ohren .. mit Tafelmusik zu k. Klinger F. 38; Nur das Lob Desjenigen kitzelt ihn etc. L. 7, 113; Das kutzelt sie so wohl, daß sie .. nicht wissen, wie muthwilliglich sie solcher Gnaden .. mißbrauchen wollen. Luther 5, 148a; Den Raben kützelt solch Lob und Schmeicheln. 272b; 6, 10a; Daher würden Ew. Exc. ihn .. ungemein k., wenn Sie .. einfließen ließen. Palleske Sch. 1, 195; Das kitzelt unsern Augenstern, | Das schmeichelt unsern Ohren. Sch. 133a; Durch mein schüchternes .. Aussehen ihren.. Hochmuth zu k. Thümmel 3, 74.
c) übertr.: Kitzel oder Behagen, sinnliche Lust erregen, reizen etc.: Sein Äußres ist so putzig, | .. daß es unsre Lachlust kitzelt. Heine Rom. 101; Daß nie euch Ehrsucht kitzele. V. Hor. 2, 141 etc. 3) (s. 2) auch ohne Obj.: Wenn man Einem mit einer Feder ins Ohr kommt, Das kitzelt; Schmeichelnd kitzelt | die Schlange, wo sie sticht. Tieck Cymb. 1, 2; Ein mehr warnender als k–der [der Eigenliebe schmeichelnder] Anblick. Fichte 6, 207 etc. Mit beigefügter örtl. Angabe auch mit persönl. Dat.: Fliegen, die ihm um die Ohren summen und im Gesichte herum k. Börne Frzfr. 71 etc. (s. 4). 4) auch unpers.: Es kitzelt mich, ein Unbekanntes nur aus seiner Wirkung Erkennbares (s. Herrig 18, 106 ff.) erregt in mir einen Kitzel = ich empfinde ihn (vgl. 1); Es kitzelt und juckt mich oder mir (vgl. 3) auf dem ganzen Leibe; Wie Das köstlich funkelt in der Sonne, daß es Einem ordentlich in der Seele kitzelt (s. 2b). Eichendorff Phil. 35; Es würde Sie k. [freuen], wenn Sie sähen, daß ich alle [Ihre Griffe] gefühlt habe. L. 10, 130; Es kitzelte mich [ich fühlte den Reiz, den meiner Eitelkeit schmeichelnden, übermüthigen Trieb], das fürstliche Edikt zu verhöhnen. Sch. 708a; Kitzelt [verlangt] dich nach Namen und Ehre? 127a etc. 5) refl.:
a) (s. 1a) Sich k., um zu lachen, sprchw. = gezwungen lachen; Er muß sehr gerne lachen, weil er sich selbst so kützelt. Luther 6, 358a etc.
b) Sich an, mit, über Etwas k. (s. 2a), sich innerlich, heimlich, schadenfroh freuen etc. Sir. 27, 14; Dem schadenfrohen, über seine Tücke sich innerlich k–den .. Manne. Engel 8, 266; Wie man sich nunmehr über die Strafe mei- Sanders, deutsches Wörterb. I. nes Übermuths . . k. und freuen würde. G. 14, 85; Sollten sie nicht, wenn sie diesen Jokus unwillig aufnähmen, sich mit einer stillen Schadenfreude k.? 27, 198; Dieser über seine Verbrechen sich k–de Teufel. L. 7, 333; Er kitzle sich an so skandalösen Albernheiten immerhin! 10, 118; Etlich hielten es heimlich und kutzelten sich selbst damit, wollten die Freude Niemand mittheilen etc. Luther 5, 531b; Olcarius Ros. 59b; [Der] an Geschrei und Angstgebärden sich kitzelt. V. 2, 8; [Ich] kitzle mich nach Herzenswahl | am tollen Weltgetümmel [lache darüber]. 3, 164 etc. 6) dazu:
a) Weder Weichling . ., noch Kitzler, noch Sittenverderber. H. 9, 446; Kitzler, auch: die weibl. Ruthe, das Schamzünglein, Clitoris.
b) Eine Sprache . ., in der das Metrische der Poesie nur Kitzelung der Ohren ist. L. 7, 87; Musäus 1, 75 etc.
c) Laß das Gekitzel! [das K.]; Gespenster fühlen ein Behagen an solch einem Tugendgekitzel. Brentano Fr. 1, 35, s. Kitzel.
Zsstzg. z. B. mit Angabe der Wirkung: Wart, ich will dich auf-k. [durch K. wecken, auf die Beine bringen]. Münchhausen 98; Das kitzelte den Stolz des Mönchs auf. VWeber 2, 80; Ein Knochensplitter wächst langsam in die Gehirndecke vor und kitzelt ihre Phantasie zu ungebärdigen Sprüngen im wachen Zustande auf. Vogt Köhl. 99 etc. Das perlende Naß von Ais gefeierten Reben | durchkitzelt das Haupt von Ihro Majestät. KSchmidt Kom. 182; Es war da herum irgend was Höllisches oder Himmlisches, das mich immer wieder hinkitzelte [mich kitzelnd und reizend hinzog]. Höfer Leb. 85; Meine Abderiten .. kitzeln sich gern in einen ... Enthusiasmus hinein. Heine Lut. 2, 279; Das Opium [der Unterhaltungslektüre], mit welchem man sich die Langeweile hinwegkitzelt. Prutz Lit.Tasch. 2, 246 u. ä. m.