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Karte
* Kárte (franz.), f.; –n; Kärtchen, lein; –n-:
1) ein aus zusammengeklebtem Papier bestehendes, auf der einen Seite mit bestimmten, den Regeln des damit zu spielenden Spiels gemäßen Zeichen und Figuren bedrucktes, auf der Rückseite dagegen musiertes Blatt in Form eines oblongen Rechtecks (bestimmter: Spiel- K–n): Deutsche, französische K–n, und nach den versch. Spielen z. B.: Boston-, Hexen-, Karniffel-, L’hombre-, Pikett-, Solo-, Tarock-, Whist-K–n u. ä. m., und erweitert z. B. auch: Lotterie- oder Lotto-K–n, zum Lottospiel, auf der Rückseite gw. nicht musiert und größer als die gw. Spiel-K–n etc. (vgl. 2): Zwei Spiel K–n; Ein Spielchen K–n | schalkhaft genannt das Buch der Könige. V. 4, 124; K–n oder in der K. (Engel 12, 14; G. 34, 233; L. 11, 381 etc.), veralt.: auf der K. (Zinkgräf 1, 280) spielen; Die K–n mische(l)n, abheben; K–n geben, vergeben (oder falsch geben); Gute, schlechte K–n haben, bekommen; Auf seine K. [die Gesammtheit der K–n, die man bekommen] ein Spiel ansagen, passen; Auf eine [einzelne] K. Geld setzen, halten, gewinnen, verlieren; Eine K. umschlagen, aufdecken, so daß die Augen oder Figuren zu sehn sind etc.; Einem, auf Einen die K. legen oder schlagen (G. 19, 355; 21, 220 etc.), ihm aus den K–n wahrsagen etc. Vielfach übertr. u. sprchw. (vgl. Spiel etc.), z. B.: Einem in die Karte(n) sehen, in Pläne und Vorhaben, die er verbergen will, in ein geheimes Treiben etc. Einblicke thun: [Hutten] sah Fürsten in die K., | trumpft’ ab und stach genug. Freiligrath 2, 110; G. 16, 301; Gutzkow R. 2, 71; Wolltest du mich jetzt ein wenig tiefer in deine K–n schauen lassen. Mörike N. 53; Indessen fällt mein Blick in deine K–n. Müllner 5, 31; Sich in die K–n sehen lassen. Prutz Mus. 3, 255; Seine K. verrathen. L. 1, 471; Sch. 656b etc.; Ich sehe die K. wohl [weiß, worauf es abgesehn ist]. Rabener 3, 57; Eine angelegte K. [abgekarteter Handel, s. Karren I. 1]. Schottel 1118a; Wenn zwei Lügner mit einander übereinstimmen, so ist es gewiß abgeredete K. L. 7, 196; Aus einer K. spielen, nach verabredetem Plan in Einverständnis mit Einem handeln; Geht und mischt eure K–n, | wer gewinnet, hat zu thun. G. 8, 30; Harret .., wie etwa die K–n über den Wolken fallen mögen. 14, 164; Nachdem er seine K–n . .. verborgen hält, sollen wir die unsrigen auflegen und ein offnes Spiel gegen ein verdecktes spielen. 18, 85; Wie beide Gegner Nicolai’s heimliches Spiel treiben, wo dieser in plumper Gradheit offene Karte legt. Gervinus Lit. 5, 304; Daß alles Übrige Ihnen ein Spiel sein wird, ein Spiel, obschon nicht mit den besten K–n, doch aber immer noch gut genug, die Partie hinzuhalten etc. L. 12, 328; Daß man ihm die K–n in die Hand prakticiert, die man sich am besten zu stechen getraut. 10, 61; Auf Einen böse und spitzige K–n auswerfen [veralt.: ihm arg zusetzen, schlecht von ihm reden etc.]. Matthesius Luth. 137a; Ich mach’ ihn bête mit seinen eignen K–n. Müllner 5, 277; Daß er hier die K–n muß verpassen, | womit er sonst gewinnt. 6, 53; Gut und Habe .. gesetzt .. auf die letzten K–n. Platen 2, 24; Einem die K–n verstecken [vralt., seine Pläne vereiteln]. Rollenhagen 137. 2) ein Blatt in Form einer Spiel-K. [1] mit drauf vermerkter oder zu vermerkender Notiz: Jemand schickt K–n, um seine Verlobung, seine Verheirathung etc. anzuzeigen, Einem zu gratulieren, sich Kunden mit seinen Waaren zu empfehlen; Man giebt bei einer Visite, wenn man die zu Besuchenden nicht trifft, seine [mit des Besuchers Namen versehene] K. ab; Die Mitglieder eines Vereins erhalten eine K., wodurch sie sich als Mitglieder ausweisen (legitimieren) können; K–n zum Besuch eines Koncerts, Schauspiels, Balls, einer Vorlesung etc., und demgemäß unzählige Zsstzg. 3) in best. Fällen ein Papier mit einem Verzeichnis des Vorräthigen oder Vorhandnen, z. B.:
a) in Gasthäusern der Speisezettel: Nach der K. [die Speisen selbst wählend] speisen etc.
b) auf der Post, das Verzeichnis der jedesmal zu befördernden Briefe, Personen etc.
c) bei Kaufleuten ein Papier mit darauf befestigten Mustern oder Proben der zu verkaufenden Zeuge etc.
d) auf Bällen, die Tanzordnung, das Verzeichnis der zu tanzenden Tänze in ihrer Reihenfolge, s. Zsstzg. 4) Bildweber.: eine nach Maßgabe des Musters durchlochte, auf dem Prisma des Jacquardstuhls liegende Pappe, s. Karmarsch 3, 606. 5) Geogr. und Astron.: die Zeichnung in verjüngtem Maße von der Oberfläche (oder einen Theil derselben) unsrer Erde oder eines Himmelskörpers, z. B. des Mondes oder des Himmelsgewölbes auf eine Ebne, gw. auf starkem Papier: Astronomische, geographische K–n, und unter diesen z. B. orographische, hydrographische, nautische, gleichgradige (s. d.) oder platte K. etc., s. Zsstzg. und vgl. Mappe u. Atlas; Die K. von Europa, von Deutschland, von Preußen, der Mark Brandenburg, von Berlin und der Umgegend; Als er die Charte [s. Anm.], seinen Wegweiser, vornahm. G. 19, 3 etc. 6) die Konstitution eines Staats, die Verfassungsurkunde, Staatsgrundgesetz: Die K. soll eine Wahrheit sein etc. 7) Seidenmanufakt.: die dem Seidenzeug durch die Gummierung gegebne Steife oder Appretur. 8) die Verfitzung, Verheddrung und der dadurch gebildete Knoten, z. B. weidm.: Die Kette macht eine K. 9) Karde (s. d.). 10) Gebt mir lieber ein Kärtchen [Glas, Seidel] Bier. OLudwig Thür. 1, 19.
Anm. Aus gr. ~ἁρτης, lat. charta (Papier), franz. carte und in Bed. 6 charte, welche Orthogr. Manche in dieser Bed. (und für 5) auch im Deutschen beibehalten, in den Bedd. 1—6, woran sich 7 schließt in Bezug auf die Steife wie bei der Pappe, vgl. schwzr. K. = Karton, Pappendeckel. Die Bed. 8 (wie 9 und 10) wohl andern Stamms. Die Grundbed. „Papier“ noch z. B.: Als etliche Schmäh-K–n der Fürsten wider einander ausgingen. Zinkgräf 1, 263.
Zsstzg. unerschöpflich [s. 1] und leicht zu mehren nach den folgenden: Abonnements- (–mángs) [2]. Ábschieds- [2]: die man beim Abschied aus einem Ort Bekannten zusendet. G. 19, 92. Adréß- [2]: die Adresse z. B. eines Geschäftshauses enthaltend. Aūfenthalts- [2]: worin einem Fremden der Aufenthalt von der Polizei gestattet wird, Fremden-K. Báll- [2]: Einlaß-K. zu einem Ball; auch = Tanz- K. Besūchs- [2]: Visiten-K. Bíld(er)- [1]: Figuren-K., Spiel-K. mit einem Bild, im Ggstz. zu den Stein- oder Gestein-K–n, die bloß mit Augen bezeichnet sind. Karmarsch 3, 337. Brīēf- [3b].
Drēī-: ein Spiel, worin jeder der beiden Spieler drei Karten erhält, gw. Dreikart, ähnlich: Fünfkart. Eīnlaß-, Eīntritts- [2]: wodurch der Inhaber den Eintritt zu Etwas erhält.
Eīsenbahn-: vgl. Post-K. Erd- [5]: im Ggstz. zur Mond-K. etc. Fêhl- [1]: eine Karte, die Einem fehlt, um ein Spiel zu machen (?). Campe, s. Stich-K.
Figūren-: Bilder-K. Flūr- [5]: Karte von den Feldern einer Flur: Das ganze Pays de Vaud . . lag wie eine F. unter uns, alle Besitzungen mit grünen Zäunen abgeschnitten. G. 14, 186. Flúß- [5]: hydrographische Karte, Darstellung von Flußgebieten. Fólge- [1]: F–n, der Reihe nach auf einander folgend. Fórst- [5]: geographische Karte mit besondrer Berücksichtigung der Forsten oder von einem bestimmten Forst, vgl. Flur- K. Frēī- [1]: die man frei gespielt hat, die nicht mehr gestochen werden kann.
Frémden-: Aufenthalts-K.
Fünf-: s. Drei-K. Gāben- [3]: (veralt.) Verzeichnis von Gaben. Stumpf 352b. Gebírgs- [5]: orographische Karte. Generāl- [5]: worauf das allgm. Wichtige verzeichnet ist, Ggstz. Special-K.
Gestēīn-:
1) s. Bilder-K. 2) Gebirgs-K. mit Unterscheidung der Gesteinsarten durch Farben, geognostische Karte. Gkücks- [1]: Glück, Gewinn bringende Karte. Sch. 172b. Glückwunsch-, Gratulatiōns- [2]: z. B. die Neujahrs-K–n. Hánd- [1]:
1) Stich-Karten, die der Spieler außer den Trumpf-K–n hat u. die diesen gleichsam zur Hand gehn.
2) s. Kauf-K. Hāūpt-: z. B. [1] Karte, worauf es hauptsächlich ankommt, Ggstz. Neben-K–n. Hímmels- [5]: Stern-K. Kāūf- [1]: K–n, Karten, die nach dem Geber übrig bleiben u. wovon der Spielende so viel nehmen (,,kaufen“) kann, als er von denen in seiner Hand (den Hand-K–n) wegwirft, Talon. Krīēgs- [5]: Land-K. mit besondrer Berücksichtigung der strategisch wichtigen Punkte. Kūgel- [5]: Planiglob, Karte der Erd- oder Himmelskugel in 2 Hälften. Lánd- [5]:
1) geographische Karte, zuweilen im Ggstz. von Wasser-K., daneben (dichterisch): Umsonst auf allen Länder-K–n | spähst du nach dem seligen Gebiet. Sch. 101b; Matthison A. 9, 218 etc.
2) nach einiger Ahnlichkeit der Zeichnung:
a) mehrere Schnecken, Conus ccdo nulli mappa und Cypraea mappa.
b) mehrere Tagfalter: Die schwarze L. Papilio prorsa etc. Legitimatiōns- [2]. Mélde- [2]. Merkātors- [5]: geogr. Karte mit wachsenden Breitegraden, reducierte Karte im Ggstz. der platten oder gleichgradigen nach Gerhard Mercator (1512—94). Mōnd- [5].
Múster-:
1) [3c]: eig. u. übertr.: Wie so bunt der Kram gewesen, | M. giebt’s zu lesen. G. 2, 18; Daß die Gemälde als eine Art von M. alles dem Auge Erreichbare enthalten mußten. 31, 148; Die M. reiten [als Geschäftsreisender]. Hebel 3, 170; Sch. 1235a; Schlegel Haml. 5, 2 etc.
2) eine Karte als Muster für andre dienend: Die neuen Visiten-K–n sollen genau nach der M. gefertigt werden etc. Nêben-: s. Haupt-K. Nēūjahrs-: s. Glückwunsch-K. Númmer- [1]: die niedrigen Spiel-K–n von der Zwei bis zur Sechse mit. Páß-:
1) [2] eine Karte als Legitimation auf Reisen statt des Passes. 2) See-K., worauf man die Entfernung zweier Orter mit dem Passer oder Zirkel abmessen kann. Persōnen- [3b]: Immermann M. 3, 88. Póst-:
1) [3b] Brief- und Personen-K.
2) [2] Karte oder Billet, das dem Postreisenden einen Platz sichert. 3) [5] geographische Karte mit besondrer Berücksichtigung der Postverbindungen etc., s. Reise-K. Prōbe-: Muster-K. 2. Prōben-: Muster-K. 1. Rēīse- [5]: geographische Karte für Reisende, s. Post-K., gw. zusammenlegbar, so daß man sie in Buchform bequem bei sich tragen kann: Wie eine Post- und R. ausgebreitet. Thümmel 2, 176a. Reliéf- [5]: Karte zur Veranschaulichung der Erhöhungen und Vertiefungen der Erdoberfläche durch Nachbildungen in Relief. Schmǟh- [Anm.]. Sēē- [5]: geograph. Karte zum besondern Gebrauch der Seefahrer. Sēīde(n)- [3c]: Muster-K. für Seidenstoffe. Hackländer Hdl. 2, 31. Speciāl- [5]: ausführliche Karte in großem Maßstab von einem speciellen Lande etc. Spēīse- [3a]. Spīēl- [1]. Stāāten- [5]: Land-K. mit besondrer Berücksichtigung der politischen Geographie, im Ggstz. von Fluß-, Gebirgs-K. etc. Stámm- [1]: bei manchen Spielen, die Karten, die nach dem Geben übrig bleiben. Stēīn-: Gestein- K. Stérn- [5]: Himmels-K. Stích- [1]: die einen Stich macht oder machen kann, im Ggstz. der Faussen oder Fehl-K–n. Studénten- [2]: Legitimations-K. eines Studenten. Tánz- [3]: Ballordnung, Verzeichnis der zu tanzenden Tänze nach der Reihe; auch = Ball-K. [1]. Táschenspieler- [1]: zu Kartenkunststücken besonders eingerichtet, Zauber-K. etc. Trúmpf- [1]. Universitǟts-: Studenten-K. Verlōbungs- [2]. Visīten- [2]: Die vornehmen Gedanken, die den Leser nicht in Person besuchen, sondern durch V–n (Gedankenstriche genannt) etc. Börne 1, 85. Wánd- [5]: Wand-Landkarte (Gutzkow Zaubr. 1, 357), an die Wand zu hängende, von größerm Umfang, nam. für den geograph. Unterricht in Schulen etc. Wásser- [5]: hydrographische Karte, Fluß- und See-K. Wēīn- [3a]. Wélt- [5]: Karte von der ganzen Erde (s. Kugel-K.). Humboldt K. 1, 611; JP. 22, 236; Schlegel Sh. 2, 246, vgl. Weltkugel etc.; bei Campe auch = Himmels-K. Zāūber- [1]: s. Taschenspieler-K. u. ä. m.