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Kamm
Kámm, m., –(e)s; Kämme; Kämmchen, lein; -:
1) ein Werkzeug aus hartem Stoff mit Zähnen oder Zinken zum Reinigen, Ordnen, Befestigen, Schmücken der Haare, Haar-K., Toiletten-K., z. B. nach dem Stoff: Bein- oder Knochen-, Blei- (zum Schwarzfärben der Haare. Logau 2674), Buxbaum-, Elfenbein-, Holz-, Horn-, Messing-, Metall-, Schildpatt-K. etc.; ferner z. B.: Enger K., mit dicht zusammenstehnden Zähnen (gewöhnl. auf beiden Seiten), den Kopf von Schmutz, Schinn, Ungeziefer zu reinigen, Lause- oder auch Läuse-, Niß-K., Ggstz. weiter K., Frisier-K., zum Schlichten und Kräuseln des Haars; Staub-K., zum Auskämmen des Staubes, Puders etc.; Einsteck- oder Haar-K. (im engern Sinn), in der Form des Kopfs gewölbt, um in die Haare, namentl. des Hinterkopfs, eingesteckt, diese zusammenzufassen und zu halten; Chignon-K., das am Hinterkopf als Zopf oder Wulst in die Höhe geschlagene Haar der Frauenzimmer zu befestigen; Seiten-K., zur Befestigung des Seitenhaars der Frauenzimmer u. ä. m. Sprchw.: Alle oder Alles über einen K. scheren, gleich behandeln, keinen Unterschied machen, vgl.: Alles in eine Wiede nehmen, in einen Kessel werfen etc., s. ferner 33a. Übertr.: Der fünfgezackte K. [die in den Locken wühlende Hand], wo sollt’ er stocken? G. 4, 31 etc. Vgl. die Räthsel Rückert Mak. 1, 64 u. (auch fürs Folgende) Hebel 2, 231 No. 60. Es giebt auch Kämme für Thiere, z. B. Pferde- oder Roß-K.,. gewöhnl. Striegel. K. heißt ferner Vieles nach der Ahnlichkeit, nam. auch etwas mit Zinken, Zacken etc. Versehnes, zackig Emporragendes. Der Übersichtlichkeit halber ordnen wir alphabetisch nach den Fächern der gewöhnl. Anwendung: 2) Anat.:
a) ein länglich hervorspringender Knochentheil, crista, z. B. der Na- sen-K. etc.; auch: der Hahnen-K. (s. d.), der oberste Theil des Siebbeins.
b) im Vogelauge, der von der Netzhaut aus den Glaskörper keilartig durchdringende, fächrig gefaltete viereckige Theil, Pecten plicatum. 3) Bauk.: die Verbindung zweier rechtwinklig über einander liegender Balken, indem die Einschnitte des einen (,,die Kammsassen“) in das stehen bleibende Holz des andern (,die Kämme“, im engern Sinn) passen, vgl. kämmen 2 und ein-, über-, verkämmen. 4) Bergb. (s. 16):
a) eine große Steinmasse, vgl.: Das K. am untern Ende der Runse. Tschudi Th. 459 und slaw. kamen’ (Stein), namentl. ein unter milderm brechendes festes Gestein: Ein K. schießt vor; Kämme verdrücken den Gang etc.; Stein-K. etc.
b) im Eislebischen eine Art Lagergebirge, Lochberg (s. d.); im Mansfeldischen eine geringe Art Kupferschiefer etc. 5) Botan.:
a) ein tief gezahnter Flügel an der Spitze oder Naht einiger Blumenhüllen.
b) in Zsstzg. (s. d.) Pflanzenname. 6) Bürstenm.: ein Brett mit eisernen Zinken zum Kämmen und Reinigen der Borsten. 7) Dachdecker: Latte mit Zinken zum Glattkämmen des Dachstrohs. 8) Deichb.: die obre Breite des Deichs zwischen den Böschungen, Kappe, Krone (s. 12), auch ein im Grund eines Püttwerks stehn gebliebner Wasserdamm, vgl. „Kammelung“, kleiner Damm an Kanälen, Gräben etc. (Brem. Wörterb.). 9) Fischer.: Kammen, enge Netze für kleine Fische. Frisch. 10) Fleischer: der obre Theil des Halses beim Rind (vgl. 18) u. ein Stück Fleisch zwischen Nacken u. Bug. 11) Forstw.: Reihe gehacktes Buschholz (Jahn). 12) Geogr.: eine langgedehnte Erhöhung, z. B.: „verlängerter First mit Sturzgefällen zu beiden Seiten“ (Stalder) etc.: So hoch wie möglich auf dem K. der Dünen. Dingelstedt 255; Bald hatten wir den K. erreicht, aber er bot schwer ersteigliche Böschungen dar. Humboldt KlSchr. 1, 185 etc.; Berg- kämme zu überklimmen. Rückert Mak. 2, 107; Steil sich giebelnde Bergkämme. Tschudi Th. 461 etc.; Zwischen den obersten Bäumen des Bergwald-K–es. Fallmerayer Or. 1, 247 etc.; In Gestalt einer Mauer oder eines Fels-K–es. Humboldt KlSchr. 1, 298; Einen steilen Gebirgs-K. überstiegen. G. 19, 39; Den höchsten durch Europa sich schlängelnden Gebirgs-K. 40, 260 etc.; Über Sattel-K. und Bergschneide. Fallmerayer Or. 2, 7; Über den ganzen Ufer-K. hin. Sealssield Leg. 1, 141; 2, 71; Über nachtfeuchten Wald-Kämmen. Keller gH. 1, 393 (s. 21c) etc. 13) Kriegsw.:
a) (s. 12 u. 8) der obre Theil eines Walls; die höchste Kante einer Brustwehr; ein steinerner Damm quer über den Festungsgraben, Wuhr oder Wehr.
b) der erhabne Streif überm Helm, woran der Helmbusch befestigt ist, Helm-K.: Jst nicht der Helm mit Kamm und Busch geschmückt? G. 12, 244. 14) Kürschn. (s. 1): ein Kamm zum Auskämmen und Reinigen von Pelzwerk, Pelz-K. 15) Landwirthsch.:
a) (s. 1) Der .. Flachs wird geriffelt, gerefft, d. h. zur Absonderung der Samenkapseln durch einen groben eisernen K. (Riffel-K., Reff-K.) gezogen. Karmarsch 1, 801 etc.
b) (s. 12) eine längs zwischen den Furchen liegende Erhöhung: Oben auf dem K. der Furche. Landwirthsch. Zeit. (55) 19b; Der K., auf welchem die Kartoffeln gestanden. 312a; Beim Rijolen sehe man .., daß keine Kämme zwischen den Gräben stehen bleiben. (56) 181a etc.
c) (s. b) die bei einem nicht glatt abgestrichnen Maß für Getreide (Salz etc.) etc. in der Mitte stehende Erhöhung. Krünitz 9, 595, auch die beim Dreschen zwischen den Garben liegen bleibenden und zusammengefegten Körner: Die Garben haben einen guten K., schütten, scheffeln Viel. 16) Maschin.:
a) an der Stirn oder Seitenfläche eines Rades (,,Kammrades“) Zapfen oder Zähne, kurze Stäbe, die in ein andres Rad oder Getriebe eingreifen.
b) die die Stämpel, Bälge etc. hebenden Arme (Daumen, Hebelinge etc.) an einer Welle.
c) bei Wassergöpeln die ausgezahnten Schienen zum Hineinlegen der zur Regelung der Schützen u. Bremsen nöthigen Hebelarme.
d) (s. 3) die eingeschnittnen ineinander passenden Enden der Stangen bei Stangenkünsten.
e) die Zähne an der auf und nieder gehenden Stange einer Winde. 17) Orgelb.: ein das Hängenbleiben der Kuppeln verhinderndes Brett mit Einschnitten. 18) Pferd.: der mit der Mähne bekleidete obere Rand des Halses, nach der Ahnlichkeit mit 1: Der feurige Pony . .. Sein schwarzer K., borstig und kurz geschoren, stand steil auf dem schön gebognen Halse. Mügge Norw. 1, 118, und danach auch übertr. auf Rinder etc. (s. 10; 29; 31), vgl. Kammfett. 19) Posament.: die Stäbchen am Posamentierstuhl zum Anbinden der Litzen (s. 28a): Hebungen der Kettenfäden mittelst einer Menge von Schnüren (Korden) durch sog. Hochkämme und Wellen bewirkt. Karmarsch 1, 339. 20) Salzw. (s. 15c). 21) Schiff. (s. 16):
a) K. an der Rah, ein an die untre Seite der Rah gespickertes längliches Holz mit runden Löchern, durch welche die Rahbanden der Segel geschoren und dann befestigt werden.
b) der (gewöhnl. mit Schnitzwerk verzierte) Raum zwischen den beiden Backenknien des Galjons.
c) (s. 12): Die Wellen | wälzen meilenlang beschäumte Kämme | ... dem Schiffskiel . . . entgegen. Platen 4, 320; Unbekümmert um Gefahr und Tod, die ihm aus jedem schäumenden Wogen-K. entgegenblitzen. Gerstäcker BlW. 204; Wellen-K. etc. 22)Schlosser: Bart eines Schlüssels. 23) Schuh- mach.: der obre Theil am hintern Leisten. 24) Seidenmanufakt. (s. 1): Holzkamm zum Auskämmen der Seide. 25) Siebmach.: ein hölzerner Rahmen mit einer Reihe Drahtstifte zum Weben der Haarsiebe. 26) Spiel: s. Fahne 2i. 27) Turnk. (s. 1) die kammähnliche Haltung der geschloßnen Finger nach oben, namentl. beim Fechten, s. Kammhieb. 28) Weber.:
a) Der K. (Blatt) ist ein viereckter Rahmen mit dünnen Rohrstäben, die Fäden des Aufzugs zu trennen und den Einschlag anzustoßen. V. Georg. 43. Jetzt sind übrigens die platten Stifte statt aus gespaltnem Rohr oder Rieth (daher Rieth-K. oder -Blatt), gw. aus geplättetem Messing- oder Stahldraht, s. Karmarsch 3, 599; Fest am Baum ist die Web’ und der Rohr-K. scheidet den Aufzug. V. 1, 314, auch Scheide-, Webe(r)-K., vgl. Blatt 3a.
b) Das Aufwinden. Zu diesem Zweck lässt man die Gänge des Zettels nach der Ordnung durch einen großen K. laufen, der eben die Breite des Weberbaums hat, auf welchem aufgebunden werden soll. G. 19, 49.
c) (s. 32) Ist die Baumwolle rein gelesen, so bringt man sie, anstatt zu krämpeln, auf Kämme, welche aus einfachen Reihen langer stählerner Nadeln bestehen, und kämmt sie. 42.
d) die sämmtlichen Schäfte am Webstuhl.
e) der beim Abschneiden eines fertig gewebten Stücks im Blatt (s. a) gelaßne Rest von Kettenfäden, woran die neuen angedreht werden, auch „Trumm“, mundartl. Drahm, Drohm(t), Lädel etc.
f) ein Werkzeug wie ein Haar-K. (1) aus Knochen oder Stahl, die Einschlagfäden an das schon Gewebte festzudrücken, nam. beim Teppichweben. 29) weidm.: der vordre Theil des Rückens einer Sau (s. 31). 30) Weinb.: Stiel der Weintrauben, Trauben-K., Rapp. Kecht 75. 31) Weißgärb.: (s. 10) an einem Fell die Stelle des Rückens zw. den Schulterblättern. 32) Wollmanufaktur: ein Werkzeug, die Wolle zu kämmen: Jeder Woll-K. besteht aus 2, 3 oder selbst 4 Reihen runder stählerner, in schlank verjüngte Spitzen auslaufender Zähne, von welchen jede näher dem Stiele zu befindliche Reihe etwas kürzer ist als die vorhergehende etc. Karmarsch 3, 631; Brech- oder Reiß-K., grober Kamm; Kratz-K., etwas feiner, zusammengefasst „Krämpelkamme“ (s. Anm.); Kämmel-K., der feinste; Stech-K., durch welchen die Wolle beim Abziehn durchgehen muß, um sich von Knoten zu reinigen. Karmarsch 3, 633 etc., vgl. Karde, Krämpel, Kniestreiche. 33) Zoolog.:
a) kammähnliche Erhöhungen, so namentl. bei den hühnerartigen Vögeln (zumal bei den Männchen) der ausgezackte Fleischlappen am Kopf, Fleisch., Haut-, Stirn-K., z. B. Oken 4, 334: Der K. der Hähne; Die Auerhähne schütteln ihre Kämme. Freiligrath 1, 237; Die Hühner, denen recht der K. gewachsen war. Gutzkow R. 7, 480; Ihre Nase glüht, | wie eines Truthahns K. W. 11, 228 etc. Davon auch übertr. auf Personen, sprchw.: Einem wächst (Gotter 1, 235; Gutzkow R. 8, 323 etc.), schwillt der K., er fühlt sich, wird sich seiner Kraft bewusst, bes. von einem Übermüthigen, sich Uberhebenden: Die Furcht ist weg, der Respekt, die Scheu, | da schwillt dem Bauer der K. aufs Neu. Sch. 327a; Ich weiß, ihr Übermüth’gen, wovon der K. euch schwoll. Uhland 421; Platen 4, 180 etc., auch von Einem, dem die Zornader schwillt etc., vgl.: „Der Kamm, das rothe Angesicht eines Betrunknen oder Zornigen.“ Stalder; Hier röthet sich sein K. [er geräth in Wuth], es schwellen Brust und Lungen, | er schreit. W. 3, 28; 12, 49; Sticheleien auf mich, die von dem rothen K. [Wuth und Überhebung, vgl. puterhaft] und dem sich gekränkt glaubenden Hochmuth des Schreibers zeugten. Lichtenberg 3, 537; Dies macht, daß er sich brüstet und den K. | der Jugend gegen Eure Würde sträubt. Schlegel Sh. 6, 11; Damals war es noch nicht Mode, daß man gegen seine Obern gleich den K. stellt. Gotthelf 5, 111; Einen (oder Einem) über den K. hauen, putzen (Weise Jak. 54), seine Überhebung zu demüthigen etc. Auch von andern Thieren, z. B. von Schlangen: Hoch aus den Wellen steigt der Kämme blut’ge Gluth. Sch. 30b; die emporstehnden Schuppen am Kopf, auf dem Rücken oder der obern Seite des Schwanzes mancher Eidechsen etc., und übertr.: Die Gluth .. zischt empor mit schwefelgelbem K–e. Freiligrath Garb. 10, vgl. Feuerdrache“ und „der rothe Hahn“ als Bez. des Brandes etc.
b) K. oder Wirbel der Auster, der angewachsne Theil, um welchen das zarte Fleisch sitzt.
c) s. 10; 18; 29.
Anm. Ahd. champ, kamp, mhd. kam(o) und kambe (fem.), wohl mit dem Grundbegriff des Emporragenden (vgl. Kammbord) und Zackigen, Eingeschnittnen (vgl. Kimme), doch sind in einzelnen Fällen andre Stämme mit eingeflossen, vgl. 4a und schwzr. „die Kämme“, ein mittels eines Querholzes zu schließender halber Holzreif, der Ziegen und Schafen um den Hals gelegt wird, um sie daran zu führen. Frommann 5, 489; Stalder, der auf brit. camm (gebogen) hinweist u. ä. m. Mz. ohne Uml. oberd., nam. in Bed. 32. Zstzg. s. [1], ferner: Aūster- [33b]. Bérg- (wald)- [12]. Bréch- [32]. Fêder-: ein Käfer Ptinus pectinicornis. Féls(en)- [4a; 12]. Flēīsch- [33a]. Gebírgs- [12]. Hāhnen-:
1) [33a].
2) nach der Ahnlichkeit:
a) [2a].
b) Name mehrerer Pflanzen, bes. Rhinanthus crista galli u. ä. m., s. Kamp, Anm.
c) eine Miesmuschel, Mytilus crista galli etc. Hāūt- [33a]. Hélm- [13b]. Hōch- [19]. Júngfern- [5b]. Aphanes arvensis. (Bergb.) kleine Art mit kurzem, in der Mitte durchlöchertem Helm zum Nägelausziehn. (Bergb.) artähnliches Beil der Steiger. Kä́mmel-, Krä́mpel-, Krátz- [32]. Mêêr- [33]: Art Meerfische Novacula. Nāsen- [2a].
Kāū-: Kūh-: Niß-:
1) [1] Lause-K., s. Nisse. 2) nach der Ahnlichkeit eine Stachelschnecke, Murex tribulus. Pélz- [14]. Pfêrde- [1; 18]. Réff- [15a]. Rēīß- [32]. Rīēth- [28a]. Ríffel- [15a]. Rōhr- [28a]. Róß-:
1) Pferde-K.
2) (s. Kambio, Anm.) Roßtäuscher. Sáttel- [12]. Schēīde- [28a]. Schlüssel- [22]. Sēīden- [24]. Stéch-:
1) [32].
2) kammförmiges Werkzeug der Nadler zum Einschlagen der Löcher in die sog. Nadelbriefe. Stēīn- [4a]. Stírn- [33a]. Trāūben- [30]. ūfer- [12]. Wáld- [12]. Wêbe(r)- [28a]. Wéllen-, Wōgen- [21c]. Wóll- [32] u. ä. m.