Graf
Grāf, m., –en; –en; Gräfchen, lein; –en-:
1) urspr.: Verwalter, Pfleger, Vorsteher, insonderheit der zu Krieg und Frieden in jedem Bezirk oder Gau gesetzte oberste Beamte, der auch den Vorsitz in den Gerichten führte: Grafen, zu Latein Comites, sind gewesen Mitregierer der Königen und Fürsten und ihre nachgesetzten Richter. Diese haben ihre Titel und Namen nicht gehabt von eignen Landen oder Geschlechtern als bei unsern Tagen, sondern von dem Amt. . . Wie ihre Ämter, also waren ihre Titel mit Zunamen von einander unterschieden, als Pfalz- G–en, das waren Richter des königlichen Hofs oder Palasts, waren auch Richter der bezwungenen Landen; item Mark- G–en waren Markrichter und die verordneten Verwalter der Grenzen . . ., item Land-G–en, Landrichter; Burg- G–en, Burgrichter oder Burgvögt etc. 312a. Vgl. 2, 102 ff.; 748; deutsche Staats- u. Rechtsgesch. 1, §15; 2, §222 ff.; Osn. 1, 306 etc. — 2) später ward der Amtstitel ein erblicher Ehrentitel als Bez. eines in seiner Würde meist unmittelbar auf Herzoge und Fürsten folgenden Besitzers einer Grafschaft und endlich auch als bloßer Ehrentitel un- abhängig von dem Besitz einer Grafschaft (s. Grafen): Regierender G.; Gefürstete G–en; Da bist du nun, Gräflein! 1, 156 etc. — So auch weibl.: Gräfin, f.; –nen, und übertr. als Bez. einer Sorte Schiefertafeln, wie man deren nach der steigenden Größe auch: Markgräfinnen, Princessinnen, Herzoginnen und Königinnen hat, s. E. 1, 207.
Anm. Ahd. grâv(e)o, mhd. gräve. Abstamm. fraglich, vgl. 1, 567; etc. Bekannt ist die wortspielende Deutung aus „Grau“ bei u. A. — Nbnf.: Der Grafe. 287; niederd. Gräfe; Blutbann des Grafens oder Erhaltungsrichters. Ph. 2, 334. — Als Titel bei Eigenn.; wenn ohne Artikel, auch ohne Flexionszeichen (s. Herr, Anm.): Eine Grille G. Karls [des G–en Karl]. Th. 2, 59; Mit G. [dem G–en] Schwerin; Ich kenne G. [den G–en] Schwerin; Auf Befehl | von G. Orsino. Sh. 2, 269 etc.
Zsstzg., vielfach zu1 (größtentheils veralt.), z.B.: Búrg-: (s. o.) Burgvogt, Schloßpfleger: „Dort sollst du wohnen, | sollst der Erde herrschen.“ Prometheus: Ihr [der Götter] B. sein | und ihren Himmel schützen? G. 7, 234; auch iron. = Machtherr etc. z. B. Stahr W. 244. —
Cént-: Centrichter (s. d. und Cent): C–en sind Landrichter oder die Obersten in einer Centen. Stumpf 312a. —
Dēīch-: Oberaufseher über das Deichwesen: Ein von der Regierung gesetzter Deichgräfe. Grube Geogr. 3, 24; Einen Teichgrafen und zehn Teichvögte erwählen. Möser Ph. 1, 328. —
Ding-: Vorsteher eines Dinggerichts, vgl. Bauermeister. — Erb- [2]: vgl. Erbprinz etc. G. 10, 192. —
Fórst-: Holz-G. —
Frēī-: Vorsitzender des Frei- oder Fehmgerichts. Freiligrath Garb. 32: Möser Ph. 2, 330; 4, 390 etc. —
Gāū-:
1) Vorsitzender eines Gau- oder Hochgerichts, Hoch-G. —
2) Richter eines Dorfgerichts, Dorfschulze. 1, 324b. — Hánd-: Aufseher des Zollamts; Obermarktmeister, s. — Háns-: in Regensburg Vorsteher des Hansgerichts, Richter in Handels-, Kunst-, Markt- und Policeisachen. s. Hansa und vgl. 2, 102 und 216. — Hōch-: s. Gau-G. — Hōf-: urspr. Vorsitzender des kaiserlichen Hofgerichts, Erbpfalz-G., später ein selbst Bürgerlichen vom kaiserlichen Hof ertheilter Titel, der ihnen einzelne Regalien übertrug, z. B. gekrönte Dichter, Notare zu machen, Wappen zu ertheilen, uneheliche Kinder zu legitimieren etc. (s. Pfalz-G.). — Hólz-: der oberste Richter in einem Holzgericht; der Grundherr über eine Holzmark oder Holzgrafschaft. Ph. 1, 215; Osn. 1, 14; 20. — Kámmer-: der oberste Verwalter der ungrischen Bergstädte. — Lánd-:
1) Vorsitzender eines Landgerichts. — 2) Name von Fürsten, deren Land eine Landgrafschaft (Landgrafenthum) heißt: Der L. von Hessen. — Māī-: Wie am ersten Mai aus den Thoren von Stralsund der jüngste Rathsherr mit einem glänzenden Jugendgefolge im Waffenschmucke zog und in den prächtigen Buchwäldern zum M–en gekrönt wurde mit einer grünen Laubkrone und wie er Abends mit einer schönen Maigräfin tanzte. gH. 3, 149. — Márk-:
1) [1]. —
2) Fürst über eine Markgrafschaft (vgl. Land-G.): Wir können das Wort Marquis nicht anders deutsch geben als M., aber wir wissen schon, was ein französischer M. zu bedeuten hat. 4, 2, 318; Markgräfin s. auch [2]. — Mühl-: geschworner Kunstverständiger in Sachen des Mühlwesens, Mühlrichter, Wasser-G. — Pfálz-: s. o. und Hof-G.: Weil seine Gunst | kaum weniger als mancher Pf. adelt. 1, 86; Zeit gepuderter Perücken, | drauf Pf–en Lorbern drücken. 192, vgl.: Einen Kranz | durch eines Pfalzers Gunst zu tragen. 1, 5. — Jetzt nam. als Titel eines Fürsten: Pf. bei Rhein. — Rāūb-: räuberischer Graf. 24a. — Rāūh-: Titel eines ausgestorbnen Grafengeschlechts am Oberrhein, vgl. Wild-G. F. 202. — Rēīchs-: reichsunmittelbarer Graf; auch Titel. — Rhēīn-: Herr einer Grafschaft am Rhein, s. Wild-G. — Rǖge-: Vorsitzender eines Rügegerichts. — Sálz-: Vorsteher und Richter in Sachen des Salzwesens, vgl. Hall-G. 2, 102. — Sénd-: ein außerordentlicher vom Kaiser gesandter Richter etc., s. Ph. 2, 329; Osn. 1, 310. — Spīēl-: früher (in Ostreich) ein Beamter, unter dessen Aufsicht alle Spielleute standen, Erb-Sp. s. 2, 103; etc. — Stéch-: Turnierrichter (s. Stechbahn, Ringstecher etc.). Jud. 1, 229. — Tēīch-: Deich-G. — Vīēr-: einer der vier vornehmsten Grafen; Der V. von Schwarzburg. — Wáld-: Holz-G.; auch = Wild-G. — Wásser-: Mühl-G. — Wíld-: Name eines reichsgräflichen Geschlechts am Rhein, wohl von der wilden, waldigen, rauhen Gegend, vgl. Rauh-, Wald-G.: Der Wild- und Rheingraf stieß ins Horn. 69b. — Zént-: Cent-G. u. ä. m.
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