Faksimile 0610 | Seite 602
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Glück G.!
Glück, n., –(e)s; 0 (s. Anm.); –s-:
1) Das, was Jemandes Schicksal ohne sein Verdienst nach Wunsch ausschlagen, ihm sein Thun gelingen lässt, sei es ein einzelner günstiger Zufall, sei es das Einen begünstigende Schicksal überhaupt und so auch in mythologischer Personifikation, worauf sich viele Sprichwörter und Redensarten beziehn, die Glücksgöttin (s. d. und 2): G., viel, kein G., mehr G. als Verstand bei, in Etwas haben; Einem G., viel, tausend G. wünschen; Geb Amor G. und Heil! G. 8, 30; G. zu! [zum Vorhaben]. Göckingk 2, 191; G. auf! [Bergmanns- u. Weidmannsgruß. Döbel 3, 152b]; G. an! [Gruß der Anlandenden]. G. 12, 273 etc.; Auf gut(es) G. [aufs Gerathewohl, mit der Hoffnung auf das Gelingen eines Unternehmens, es dem Zufall überlassend]. Chamisso 3, 220; G. 8, 91; 14, 86; Musäus M. 3, 65; Rückert Rost. 89 u. o.; seltner [s. 2]: Auf G. und ohne Zweck im Land herumzufahren. W. 11, 186 etc.; Es ist ein G., ein wahres (rechtes, großes) G.; Bei all dem Un-G. war es noch ein G., daß; Es war ein G. für dich, (war dein G.) daß er’s nicht gesehn hat; Zum G. hat er’s nicht gesehn etc.; Das G. ist blind, unbeständig, wandelbar, ein Weib, launisch; Mit dem Kühnen ist das G. Ruge Rev. 2, 307; Ein Kind, Schoßkind des G–s sein; Stiefkinder des G–s. Lewald W. 2, 479; Böses
G.! o wehe! | wie behandelst du mich stief, | nicht als Kind aus rechter Ehe. Rückert 6, 244; Dem G. im Schoß sitzen; Im G. sitzen; Weder G. noch Stern [s. d.] haben. Musäus M. 5, 113; Werner F. 94 etc.; Mir leuchtet G. und Stern. G. 4, 48 etc.; Wer das G. hat, führt die Braut heim; Wenn das G. gut ist [günstigen, besten Falls]. Immermann M. 1, 255 etc.; Herr Vetter Anselmo, wie hat man das G. ? [die Ehre Eures Besuchs]. Chamiso 3, 224, und so oft in abgeschliffner Höflichkeitsformel etc.:
Die Beute, wie es Loos und G. bestimmt. G. 8, 61; Ich lasse dich nicht los, den mir mein G., | mein altes G. vertraulich zugesendet. 13, 314; Ein G. begegnet nie zweimal an einer Statt. Rückert Rost. 103b; Ohne Wahl vertheilt die Gaben, | ohne Billigkeit das G. Sch. 53b; Dein G. ist heute gut gelaunet, | doch fürchte seinen Unbestand. 57a etc.
2) insofern die Glücksgöttin (s. 1) sowohl ungünstige als günstige Geschicke austheilt, steht G. (s. 3) für Schicksal überhaupt und also mit näherer Bestimmung auch für ungünstiges Geschick, wie im Ggstz.: Gutes G. (s. 1), z. B.: Ich fürchte Nichts vom G–e. Chamisso 3, 83; Daß er zu begegnen weiß | beidem G. [gutem und schlechtem Geschick]. Dach (WMüller Bibl. 5, 65); Logau 1, 10, 76, Schon lange verflucht’ ich mein eheliches G. G. 1, 142; Mit immer schlechterm G–e. 6, 62; Wie eng-gebunden ist des Weibes G. 13, 4; Ich besorge mir übel, es werde ihm [dem Adel] auch also gelingen, daß sie eben der Geistlichen [schlimmes] G. erben. Luther 5, 124a: Das schlechte G. Mendelssohn 4, 1, 463; Er las mit einem Seherblick | in dem Gestirn der Völker G. Ramler F. 1, 101; Am rohen G. will ich das Edle rächen [was das Glück daran roh verbrochen, will ich gut machen]. Sch. 46a; Auf ungetreuen Wellen . .. schwimmt deiner Flotte zweifelnd G. 57a; Jn Frankreich hatte ich das schlimmere G., daß etc. Tieck DBl. 2, 284.
3) der angenehme Zustand Dessen, dem es nach Wunsch geht, wobei die Wünsche theils auf äußre, sogenannte Glücks-, theils auf innre Güter gehn können, s. 1.
a) in Bezug auf Glücksgüter: „Jch kann so mein G. machen“. Dann will ich deinem G. nicht im Wege stehn, dein G. nicht hindern; Ich darf dir nicht vor deinem G–e sein. Sch. 738a; 182b; Bist du glücklich, wenn du dein G. gemacht? Das ist wohl zu unterscheiden. Börne 2, 452 etc. Auch: Ein Schauspiel etc. macht G. auf dem Theater. Tieck DBl. 1, 177 etc., findet Beifall etc. Zuw.: Der . . lebt besser ohne G.. als ich bei großem G–e [Vermögen]. Gellert 2, 5; Leute, welche G. [s. 2: ihre äußre Stellung] und Auferziehung an die niedrigste Stelle gesetzt. L. 3, 129; Die Kunst . ., beglückt auch ohne G. zu sein. Tiedge Ep. 1, 64 etc.
b) in Bezug auf Wohlgehn: Das ist ein Glucksfall, aber das G. als ständig fortdauerndes ist ein Andres. Auerbach Ab. 145; G. ist: sich seines Daseins freuen. 160 ff. Gläubigen bringt er G. und Wohl, | alles Ubel treibt er fort. G. 4, 3; Der Erde Weh, der Erde G. zu tragen. 11, 22; Für den Edeln ist kein schöner G., | als einem Fürsten, den er ehrt, zu dienen. 13, 129; Willkürlich handeln ist des Reichen G. 262; Was sie im G–e zugesagt, | aus tiefem Elend zu erfüllen. 350 u. v.; s. z. B. WKoner Sinnspr. 93— 101.
c) so auch zuw. der beglückende Gegenstand, z. B.: Wie einem Schatzgräber .. das nah gehoffte G. [der Schatz] unter Geprassel .. zurücksinkt. G. 39, 17; So nenne mir den Namen deines holden G–s [der Geliebten]. 10, 271; Zum ersten Mal, seitdem ich sie geboren, umfass’ ich meines G–es Fülle ganz. Sch. 492a; Sie ist dein G., dein Sorgen. ESchulze Ros. 61; 62; 64 etc.
Anm. Die Mz. ist selten, doch kommt sie vor, z. B.: Man denke hiebei nur an G–e, wie der Rasumoski, Orlow. Arndt E. 167 [Glückwendungen]; Nun giebt’s noch viele Interims-G–e, die muß man gebrauchen, wie man kann. Rahel 1, 140 etc., s. Un-G. Nbnf., wie mhd. (Benecke 1, 1049): Gelück(e) und im Ggstz.: Ungelück(e). B. 24a; Mühlpforth 2, 7; Weichmann 1, 6; 7 etc., von Gelingen (s. d.), wie: Drücken zu dringen, schlucken zu schlingen etc. Niederd., engl. etc. ohne die Vors. Ge.
Zsstzg. z. B.: Diebs-G., wie es Diebe und Schelme oft mehr als Ehrliche beglückt, s. Schelmen-G.: Ehe- G., in der Ehe; In den kühnsten Jdealen von Erden-G. [irdischem G.]. Gutzkow R. 7, 104; G. 13, 317; Familien-G. Kinkel E. 416; Als Lerchen über Stoppeln strichen, | bewimmernd Frühlingssonnen-G. Arndt Gd. 85; Galgen-G. [Diebs-G.]; Es giebt für den Schweizer kein Haus-G. ohne Vaterlands-G. Zschokke 8, 81; Himmels-G., im Gegensatz des irdischen; Ihm hatte er sein erstes blühendes Hof-G. [G. bei Hof] zu danken. H. Phil. 13, 77, aber auch: ein unbeständiges, wie es an Höfen zu herrschen pflegt; Jagd-G., Glück, das man auf der Jagd hat; Als das wankelbare Kriegs-G. wider sie ausgeschlagen. Zinkgräf 2, 73; Ich fühle junges heil’ges Lebens-G. | neuglühend mir durch Nerv’ und Adern rinnen. G. 11, 21; Mit Hintansetzung seines eigenen Lebens-G–es. Gutzkow R. 9, 505; Liebes-G. G. 10, 273; Sch. 495a; Das nennt man aber auch Sau-G. haben. König Jer. 1, 152; Lang Mem. 2, 33 [ungemein großes Glück, vgl. Schelm-G. und mundartl. Roß-G. Frommann 3, 189, und danach studentisch auch nur: Sau statt Glück]; Schein-G., scheinbares; Wohl hat unser V. Schelmen-G. L. 13, 308, nach dem Sprichw.: Je ärger Schelm, je größer Glück; Hier sollen Gatten .. ihr Stufen-G. [stufenweis steigendes Glück] in wohlgerathnen Kindern | entzückt betrachten. G. 13, 230; Teufels-G., übermenschliches Glück, s. Schelmen-G.; Vom Über-G. [übergroßen G.] der Liebe stets beklommen. Mörike N. 603; Waffen-G., Kriegs-G.; Ein Ball des Wechsel-G–s [des wechselnden G–s] zu sein. W. 20, 318 etc. Außerdem namentl.: Míß-: Mangel an Glück; das Mißlingen (selten): Weil dieselbe Zufälligkeit des M–s die Tugend wie das Laster trifft. IP.; Dieses Opfers, | vom M. nur des Kriegs mir abgerungen. HKleist Hinterl. 102
Un-: ein ungünstiges, schlimmes Geschick, ein Unfall, Übel, das Einen zumal unverschuldet trifft (vgl. Unheil): Ein U. kommt nie allein; Es kommt ein U. übers andre; Das U. verfolgt ihn; Ins U. fallen; Einen ins U. bringen, stürzen; Dem U. entrinnen, entgehn; U. haben; Daß wir selbst unsers U–s Schmiede. Brockes 9, 473; Hierdurch entstand nun zwar kein U. [es kam Niemand zu Schaden, verunglückte Keiner], aber ein lächerliches Unheil. G. 20, 243; Warum giebt’s so lächerliche U–e! [Unfälle]. Gotter Schausp. 275; Der Segen des U–s, daß es Liebe und Einigkeit .. erweckt. König Kl. 3, 285; Mit dem Renner ist mir nur kürzlich ein besonders glückliches U. passiert. L. 12, 521; Alle mögliche U–e [vgl. Unglücksfälle], die nur kommen können, sagt er mir vor. 13, 333; Eines der größten U–e, das die Welt befallen könnte. Lichtenberg 4, 343; Daß des Teufels Reich, Sünd und alle U., soll ein Ende haben. Luther 5, 536a; Un-g. mit seinem breiten Fuß kommt bald. Matthe- sius Luth. 141a; Dergleichen U–e zu erleben. Pestalozzi 4, 176; Daß bei einem Glück zwei U. sein. Rollenhagen Fr. 232; Rufe selbst das U. her! Sch. 57b; Hier sind schon manche U–e geschehen! Tischbein (G. 24, 47); Glaub nicht, daß U. elend mache! | Der Mensch es ist ganz seine Sache,| kann unbeglückt, und frei von Pein | und glücklich, und doch elend sein. Tiedge Ep. 1, 131.