Faksimile 0217 | Seite 209
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breiten Über-Breiten Un-Breiten
Brēīten, tr. und refl.: breit machen; auf, über
einen großen Raum allſeitig ausdehnen. Eigentl.:
Das Gedehnte, Ausgedehnte wird dünn und lang; das Ge-
breitete wird platt und breit; Eiſen wird zu Draht gedehnt,
unterm Zainhammer zu Blech gebreitet; 22 Faden von Hanf
b. ſich ſo gut [haben dieſelbe Breite] als 24 von Flachs.
Möſer Osn. 1, 105; Ein Tuch wird gedehnt, ausgereckt und
dadurch länger, ein zuſammengelegtes Tuch wird über, auf
den Tiſch gebreitet; Eine Decke ꝛc. über, auf, um Etwas b.;
Daß reicher Teppich ſich unten, oben ſich | der goldnen Decke
Wölbung breitete. G. 13, 275; Breitet ſeine Wolken davor.
Hiob 26, 9; IP. 7, 164; Gras, Heu, Flachs, Miſt b., aus-
einanderlegen; Die Beleuchtung breitet das Ganze ausein-
ander. Heinſe A. 1, 25; Aus Kreta ..., dem langgebreiteten
Eiland. V. Od. 14, 199; Die Arme b. nach Etwas. Sch.
49b; um Etwas. Tieck Acc. 2, 23; Die Hände b. [aus-
ſtrecken]. 2. Moſ. 9, 33; Die Flügel b. Hiob 39, 26; Mit
gebreiteten Schulterflügeln. V. Myth. 1, 125; Breite deine
Güte über Die ꝛc. Pſ. 36, 11; Er [ver]breitet einen Biſam-
geruch über das ganze Parterre. Sch. 186a; Da hinauf und
dort hinaus die Zweige b. Hölderlin H. 1, 67; Um dieſe brei-
teten ein duft’ges Zelt | die dichten Reihen hoher Linden-
bäume. Chamiſſo 4, 28; Der Baum breitet ſich über das
ganze Land. Danzel 4, 17; Wird er [mein Stamm, Ge-
ſchlecht] ſich herrlich b., wie er angefangen? Sch. 469b.
Schäumende Weine ... b. zu Seeen | ſich. G. 11, 61; Daß
nahe bei dem Flecken ..., ein kleiner See ſich breitet. Laube
Band. 1, 113. Wie die Sonne ihre Strahlen um ſich
breitet. Claudius 5, 38; [Du, Mond,] breiteſt über mein
Gefild | lindernd deinen Blick. G. 1, 80. Ein von hohen
Linden umſchatteter Platz breitete ſich würdig als Vorhalle.
18, 53 ꝛc. Dazu: Breitung, f.; –en, z. B.: Die
B. des Fluſſes ꝛc. (vgl. Breitling); häufiger von den
Zſſtzg., ſ. Aus-, Ver- ꝛc.
Anm. S. ſpreiten und breitern. In der heutigen Proſa
ſind die Zſſtzg. „aus-“ und „ver-b.“ (ſ. d.) üblicher. So
würde es, wie Adelung richtig bemerkt, bei Opitz Pſ. 145:
„Dein Reich muß ſich ewig b.“ gew. aus-b. (ſ. d.) heißen;
ebenſo: Die Andrer Nachruf nicht aus blindem Eifer b. Gün-
ther 743; Wie die Patricierpeſt ſich breitete. Böttger Byr. 8,
187 und in mehreren der oben angeführten Stellen. Unge-
wöhnl. iſt „ſich b.“ wie Gryphius 2, 315; Opitz Pſ. S. 76
= ſich breit machen, brüſten, aufblaſen (Spate 225).
Campe hat noch „b.“, bei den Färbern, Kalk in die Blauküpe
ſchütten, wo es jedoch vielmehr „bereiten“ (ſ. d.) iſt.
Sanders, deutſches Wörterb. I.
Schleſiſch: „Einen b.“, ihn überwinden; „Etwas b.“, ver-
mögen. Weinhold.
Zſſtzg. (vgl. die von ,Bereiten“), z. B.: Áb-:
das gegoßne Kupfer unter dem Breithammer breit-
ſchlagen, abpochen. Án-: Landwirthſch.: Getreide
a., zum Dreſchen in der Tenne auseinander legen;
Flachs a., breit auseinanderziehn. Brem. Wörterb:
Āūf-: auf, über etwas Darunterliegendes ausbreiten:
Daß die vulkaniſche Höhe des Kammerbergs nur oberflächlich
auf einem Glimmergrunde aufgebreitet ſei. G. 40, 234;
Ließ ich Tafeln, Tapeten und Lappen a. 29, 61; Hat er dem
Gaſt ein Bett ... aufgebreitet. Schaidenraißer 72a. Aūs-,
tr. und refl.: breitend ausſtrecken, auseinander-legen,
-falten, entwickeln. Jnſofern das Ausgebreitete nur
einen größern Raum einnimmt, kann auch das einfache
„breiten“ ſtehn, in der Proſa gewöhnl. mit einer
abhängigen Präpoſ., inſofern es aber ein innres
Wachsthum bez., ein Größerwerden und Zunehmen,
ein Entwickeln aus dem Innern nach allen Seiten in
ununterbrochnem Zuſammenhang, iſt heute a. gewöhn-
lich. Hierin liegt zugleich auch der Unterſch. von dem
zuw. ſinnverwdt. „ver-b.“, worin nicht die Beziehung
auf einen Mittelpunkt liegt, an den ſich auch die ent-
fernteſten Verzweigungen ſchließen, ſondern nur das
Fortpflanzen ins Breite und Weite, z. B.: Der fliegende
Vogel breitet die -Flügel aus; Die Henne breitet die Flügel
über die Küchlein. Man breitet ein zuſammengelegtes Tuch
aus, breitet es auf den Tiſch; Sein Leben | liegt faltenlos
und leuchtend ausgebreitet. Sch. 399a. Ungewöhnl.: Ver-
breite [breite aus] dein Gewand, halb über mich gegoſſen, |
daß den geſchränkten Fuß der Nachbar nicht erblickt. LHNicolai
1, 224. Daß der junge Mann ſich eifrig beſtrebte, nach
allen Richtungen hin ſeine Kenntniſſe auszubreiten [zu ver-
größern], aber die Grundlage ſeiner Bildung war zu ſchmal.
Tieck Acc. 1, 245. Die chriſtliche Lehre hat ſich von Pa-
läſtina aus faſt über die ganze Erde ausgebreitet; Ein weit
verbreiteter Aberglaube [ohne Beziehung auf einen Mittel-
oder Ausgangspunkt]; Die Cholera hat ſich von Aſien aus
ſprungweiſe über Europa verbreitet ꝛc. Wenn er ſich des
Weiteſten über dieſelben mit . .. Beleſenheit ausbreitet. Bur-
meiſer gB. 2, 317 [breit ausſpricht]; Der Schleier blutig-
roth, aus Dunſt gewoben, | auf ebne weite Landſchaft aus-
gebreitet. Chamiſſo 4, 18; 241; Faden, der ſich ... zu einem
reichen Gewebe ausgebreitet hat. Danzel 450; Wiſſenſchaft,
die durch Erfahrung weiter ausgebreitet, | dem Menſchen
nutzt. G. 13, 98 [gewachſen, größer geworden]; Eine
ausgebreitetere Kenntnis der Welt. 39, 98; Weit ausgebrei-
tet war der Handel. 224; Er hatte ſehr ausgebreitete Ver-
bindungen. 247; 9, 247; Die Ausbreitung des Fluſſes
ladet auch das Gemüth ein, ſich auszubreiten. 22, 231;
[Arme], die den leeren Winden nur ausgebreitet waren. 13,
49; Was ſie dort a., in die Welt hinausblaſen würden.
Gotthelf G. 328; Reinliche Gaſſen breiten ſich aus; mit er-
höhetem Pflaſter | ziehet der ſchmälere Weg neben den Häu-
ſern ſich hin. Sch. 83a ꝛc. Das Refl. im Partic. zuw.
auch ohne „,ſich“ (ſ. d.): Eine a–de Tiefe. Guhrauer L. 2,
106. Dazu: Ausbreitung (ſ. o.), auch konkret:
Jene unpaaren floſſenartigen A–en, welche den Fiſchen ...
nicht leicht abgehen. Burmeiſter Gſch. 408 ꝛc. Ferner: Bei
der Ausgebreitetheit der Deutſchen. Jahn M. 34; V.
397 ꝛc. Be-: breitend bedecken: Mit Vließ und
Teppich Aller Sitz bereitet ſchon. Droyſen Ar. 3, 367; Logau
2, 2, 3. Dār-: hin-b., ſo daß es bereit daliegt.
Eīn-: Weißgärb.: die enthaarten Felle in die Aſche
legen. Entgêgen-: breitend entgegenſtrecken, die
Arme ꝛc. Immermann M. 4, 163. Er-: breiter machen,
ſelten: Gemach, deſſen Fenſter erbreitet iſt. LSchücking HdZ.
1, 85; veralt.: Dein Ruhm und Lob e. Waldis Pſ. 106,
13, ſt. ver-b. Hêr-, Hín- ꝛc.: Breit’ um uns her
den purpurrothen Flor. Sch. 47a; Mögen dieſe Felſen um
uns her | die undurchdringlich feſte Mauer breiten. 534a;
314b ꝛc. Die Kleider hin-zu-b. Gutzkow R. 3, 158; H.
16, 150; Ranken ..., der ſich nach jedem nahgelegnen Stäud-
chen hinbreitet, um ſich daran hinaufzuſtängeln. Muſäus M.
4, 34 ꝛc. I. Über-: darüber breiten, breitend über
Etwas legen, ſ. II. II. Über-: mit etwas Überge-
legtem, Ubergebreitetem bedecken: Er überbreitet den Tiſch
mit einer Decke [breitet eine Decke über]; Die Abendſchatten
überbreiteten zuletzt die höchſten Gipfel. Rank Arm. 31; Gleich
ihr [Aurora] ... überbreitete | dein Dichterglanz die fahle
Region. Thümmel 5, 86. Umhêr-: Er breitet die Farbe
ſeiner Empfindung weit umher. H. R. 7, 162. I. Un-
ter-: breitend unter Etwas legen: Auf untergebreitete
Kräuter. V. Ov. 2, 26; Eichenhain mit dem untergebreiteten
Teppich. Monatbl. 2, 444a. Auch: Daß man ihm Wünſche
und Pläne unterbreitete [unterſchob], die er nicht hegte.
Lewald Wandl. 2, 471 ꝛc. II. Unter-: Einer Perſon
oder einem Gegenſtande Etwas unter-b., es ihnen als aus-
gebreitete Unterlage, als Grundlage ꝛc. geben: Der
ganze Dialog hat eine Färbung, die, wenn ihm nicht die Ver-
ſifikation unterbreitet wäre, eine ganz andre ſein müßte. Dan-
zel 145, beſonders oft im Kanzleiſtil: Das Reſkript, das
dem Großherzog zur Unterzeichnung unterbreitet [vorgelegt]
werden mußte. König (Monatbl. 1, 538a ꝛc.). Ver-,
tr. und refl.: weithin ausdehnen; tr.: auf eine große
Entfernung hindringen laſſen und refl.: dringen (ſ.
aus-b. und verbreitern); refl. auch: ſich in Breite, aus-
führlich über Etwas ausſprechen: Ein Gerücht, einen Ge-
ruch, Geſtank, Schatten ver-b. ꝛc.; Gerüchte ꝛc. ver-b. ſich.
Die abhängigen Präpoſ. meiſt mit Accuſ., doch zu-
mal beim Refl., zuw. auch mit einer Nüance
mit Dat.: Der Geruch verbreitete ſich im ganzen Saal und
von da aus auch in die anſtoßenden Zimmer ꝛc.; Gehört zu
den allerverbreitetſten Gruppen. Burmeiſter Gſch. 261; Ins
Land Verwüſtung zu ver-b. Chamiſſo 4, 79; [Des Rheins]
verbreitetes Bette. G. 5, 11; Da auf der freien Erde Men-
ſchen ſich ... verbreiteten. 13, 131; Die Majeſtät verbreitet
ihren Schutz auf Jeden. 151; Licht-v–d. 265; Weit verbrei-
tet euch! 286; Sternhimmel, der ſich immer zu ver-b. und
Alles zu umſchließen ſchien. 18, 145; 31, 15; Weitläufigen
Brief ..., welcher ſich ... über der Tochter Fortſchritte mit
Behagen verbreitete. 15, 29; Gift, das wie ein Quell ſich
verbreitet. Heinſe A. 2, 64; Bis der Spiegelſextant ... unter
die Seefahrer verbreitet wurde. Humboldt K. 2, 335; Ver-
breitete ſich Heiterkeit auf die traurigen Geſichter. Klinger F.
127; Die Wieſe mit weithin verbreitetem Teppich. Sch. 75a;
Die Hände v–d [ausbreitend] ſchwamm er. V. Od. 5, 374;
Den Thälern zu, die ſich in unabſehbare Weiten | ... vor
ihrem Blick ver-b. W. 20, 36; Da zwiſchen ſeinem Freund |
und ihm die offne See ſtets weiter ſich verbreitet. 179; 334
ꝛc. Dazu: Verbreitung, f.; –en: V. einer Flug-
ſchrift ꝛc.; auch Verbreitetheit, f. ꝛc.