Faksimile 0153 | Seite 145
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Bissen
Biſſen, m., –s; uv.; Bißchen, –lein; -: 1) Hap-
pen, Häppchen, ſoviel Speiſe, wie man mit einem Mal
abbeißen und in den Mund bringen kann (vgl.: Schluck);
dann auch = Speiſe, Eſſen: Ein B. Brot(s). Bibel; Er
von ſeinem B. und trank von ſeinem Becher. ebd.; Aßen alſo
ein Bißlein mit einander. Berlichingen 166; Vom Weizen-
brot ... nahm ſie nicht den kleinſten B. ein. G. 1, 191;
Gern entbehrt’ ich gute B. 124; Allzu böſe B., | an denen
die Gäſte erwürgen müſſen. 3, 14; Will nicht mehr ein Biß-
chen [ſ. 3] Übel, das uns das Schickſal vorlegt, wiederkäuen.
14, 5; Hier giebt’s ſchmale, magre, fette, zarte, leckre B.;
Einem bleibt der B. im Munde ſtecken; Sich den B. vom
Maul abdarben; Einem die (beſten) B. vor dem Maul weg-
nehmen ꝛc. Übertr. heißt eine Pflanze: Süßer B.,
Annona squamosa; eine andre: Saurer B., A. mu-
ricata ꝛc. 2) übertr. auch auf nichteßbare Dinge:
„O dürft’ ich ... hier in dieſen Apfel [die Wange] beißen“...
Der B. iſt für dich zu fein. G. 8, 248; Das Mädchen iſt
kein übler B. Sch. 321b; Thät den Seelmördern wohl, daß
ſie ſolch Wildbret und niedlich Bißlin in ihre Netze kriegten.
Luther 6, 10a ꝛe. 3) verkl., vgl. Bröſelein, das Ge-
ringe, Geringfügige, Unbedeutende, Wenige, Kleine
bezeichnend, meiſt in der Schreibweiſe: „bischen“, mund-
artlich „biſſel“ (neutr.) = ein wenig: a) als Ew.,
mit vorſtehndem beſtimmten oder unbeſtimmten Artikel
oder beſitzanzeigendem Fw., wobei das folgende Hw.
als abſtrakt oder kollektiv in der Ez. ſteht, vgl.: „ein
paar“ mit Mz.: Ein bischen Ruf, ein wenig Ehre. G. 3,
125; Mit ihrem bischen Kraft. 14, 72; Die ſich auf das
bischen Adel Wunderſtreiche einbildet. 75; Die ſich ihres bis-
chen Kopfs überhöben. 84; Die ihm das bischen Armuth,
das bischen Vertrauen noch raubten. 111; Sein bischen Le-
ben. 245; Es wird Einem ſauer gemacht, das bischen Leben
und Freiheit. 9, 8; Wenn ſie denn nun ſein bischen Gedanken
weghaben. L. 6, 232; Wo man das bischen Maske | noch
allenfalls zu loben fand. Sch. 262a; Iſt ener bischen Muth
ſchon verdampft. 109a ꝛc. Ein biſſel Zeit und Schweiß.
G. 34, 5; Das biſſel Bodenſatz meiner Jahre. Sch. 183a;
Ein klein bißle Grütze im Kopf. Kurz Sonn. 291 ꝛc.
Der unbeſtimmte Artikel (ſ. „Ein“) bleibt wie in den
ähnlichen Verbindungen: „ein wenig“, ein paar“ zu-
weilen uv.: Mit ein (einem) bischen Verſtand ꝛc. Selt-
ner ſubſtantiviſch mit nachfolgendem „von“: Was?
meinet er uns mit ſeinem Bischen von Knall, | ſeinem Bis-
chen von Funken zu jagen? Arndt 444, vgl.: Dafür iſt ein
bischen Plünderns Alles, was ihm widerfahren kann. Forſter
Br. 1, 274 (Jacobi). Ungewöhnlich neben Hw., die
nicht gut abſtrakt oder kollektiv zu faſſen ſind, z. B.:
9 .
Wie hat das Pack | das bischen Streich erfahren? B. 65a ꝛc.
b) als Nebenw.: Nicht ein bischen haben Sie mich lieb.
Börne 2, 142; Meine Tochter iſt noch ein bischen obenaus.
G. 9, 316; Mit ſolchen edlen Gäſten | wär’ es ein bischen
Viel gewagt. 11, 94; Mit ein bischen andern Worten. 151;
Ein bischen muntrer Sch. 12a ꝛc.; O hätteſt du mich je nur
ein armes bischen lieb gehabt. PHeyſe Nov. 83; Ein klein
bischen ꝛc. Hab mich nur biſſel lieb. G. Stein 1, 31;’N
biſſel flunkern. Immermann M. 2, 70; HKleiſt Erz. 1, 23 ꝛc.;
Dich ein biſſele umſehn. Kompert Pfl. 1, 189 ꝛc.
Anm. Veralt. und mundartl. B. = Keil, z. B.: Die
B. oder Speidel, die man ſunſt Keil ... nennt. Büchſenmacherei
5; Sollte ihnen verbiſſen [zukeilen] mit dünnen härten
B. von Eichenholz. ebd. ꝛc., ſ. Benecke, Schmeller, Slalder ꝛc.,
und vgl.: Beißel. Zuw. ſtatt B. Biß: Das Brod iſt uns
ſchon längſt ein Leckerbiß. Börne 1, 137 ꝛc., vgl.: An-, Im-,
Zubiß; früher oft Biſſe; vgl. auch: Duos bolos, d. i. zween
Beißen. Fiſchart B. Zu 3 iſt finnverwandt „ein wenig“,
das aber ohne Nebenbegriff und deßhalb der edlern Sprache
eigen iſt; außerdem bezeichnet „ein bischen“ noch ein Gerin-
geres als „ein wenig“, weßhalb es gewöhnl. auch die Vernei-
nung begleitet: Er iſt nicht ein bischen [nicht im geringſten,
durchaus nicht] eitel; Er hat nicht ein bischen Ehrgefühl [gar
keins], ſeltner: nicht ein wenig, ganz verſch.: nicht wenig.
Nach dem beſt. Art. und beſitzanz. Fw. iſt flexionsloſes „we-
nig“ ſtatt „bischen“ unüblich.
Zſſtzg. vielfach, z. B.: Angel-: Köder: Fiſchchen
locktder A. B. 291a. –Frǖh-: veralt. = Frühſtück: Fraß
ſie für ein F. Schaidenraißer 38a. Lécker-: Delikateſſe:
Alles, was die Schmauſerwelt | für echte L. hält. Zachariā;
Hätt’ gerne Leckerbißchen | zur Labung ihm geboten. Talvj.
Lēīb-, Múnd-: Speiſe: Seit drei Tagen keinen M.
genoſſen. Schlécker-: Lecker-B., ſchleckerhafte
Speiſe ꝛc. u. ä. m.